Der Perlentaucher trennt Debatte und Rezension

Die Perlentaucher: Thierry Chervel (*1957), Anja Seeliger (*1961)

Der Perlentaucher, der führende soziokulturelle Aggregator im deutschsprachigen Raum, hat – nach meinem Wissen zum ersten Mal seit seinem 14jährigen Bestehen – vor ca. 2 Wochen sein Format geändert.

Die „Feuilletonrundschau“ wurde verabschiedet und gebar zwei Nachkömmlinge: Eine „Debattenrundschau“ und eine „Kulturrundschau“. Nun, das ist höflich formuliert, meint aber am Ende die Trennung von etwas, was man traditionell „Meinungsfeuilleton“ nannte, von etwas, was man üblicherweise „Rezensionsfeuilleton“ nannte.

Die Perlentaucher-eigenen Bezeichnungen für die beiden neuen Feeds kommen mir ein wenig hinterfotzig vor: Die Debattenrundschau heißt markant 9punkt, die Kulturrundschau etwas mokant (?) Efeu.

Prima: Es wird also wieder debattiert im deutschsprachigen Feuilleton, scheint’s!

Nicht, dass bisher nicht debattiert wurde. Aber Chervel und Seeliger, obwohl oder gerade weil tief „eingebettet“ im Wust alltäglichen, äh, Qualitätsjournalismus‘, scheinen gespürt zu haben, dass soziokulturelle Debatten mittlerweile so wichtig sind, dass sie vom Alltagsgeschäft der Event-Rezension getrennt gehören.

Sollte das so sein, bin ich ganz ihrer Meinung.

2 Kommentare zu „Der Perlentaucher trennt Debatte und Rezension

  1. Mich kitzelt das Wort“Aggregator“: Das klingt doch sehr nach Anspruch. Wer kann es sich schon auf seinen Wamst binden, alles Kulturelle sammeln zu können, zu sichten und abzulegen? Das hieße Eulen nach Athen tragen, sagt man das so?
    Oder sagt man Sysiphossche Anstrengung dazu? DIE WELT des Kulturellen: Eine schier endlose Blase im Weltraum. Wir schreiben das Jahr…

    Like

    1. @Gerhard: Deswegen hab ich den technischen Begriff „Aggregator“ ja auch verlinkt. Hier das Wichtigste aus der Wikipedia-Definition von „Aggregator“:

      Ein Aggregator ist ein Dienstleister, der Medieninhalte, sammelt, aufbereitet und ggf. abschließend kategorisiert.

      Der Perlentaucher macht seit 14 Jahren nichts anderes, als die Feuilleton-Schlagzeilen wichtiger deutschsprachiger Intelligenzblätter zu „aggregieren“. Wie er das tut, dazu hier mehr. Das ist auch schon der ganze, äh, „Anspruch“ dieser Unternehmung. Es geht nicht um das „Bewerten“, „Analysieren“ oder gar „Verstehen“ dieses Outputs. Hier ist wieder das Individuum, der, äh, netizen gefragt.

      Der Perlentaucher ist ein natives Internet-Phänomen, d. h., eine derartige Unternehmung wäre ohne die technische Plattform Internet nicht möglich – er ist eine Art „Meta-Feuilleton“, bzw. ein „Feuilleton zweiter Ordnung“ (was nix mit „elitär“ oder so zu tun hat, denn was könnte demokratischer sein im 21. Jahrhundert als eine kostenlos zugängliche Website?).

      Like

Kommentieren: