Quantitative Analyse qualitativer Strukturen

Der Linguist Joachim Scharloth (TU Dresden) erzählt im untenstehenden Video ein bisschen darüber, wie Rechner eigentlich Sprache, äh, „analysieren“ können bzw. wie dies ein selbstverständliches Tool von Geheimdiensten beim Abscannen des WWW ist. Das Hauptproblem dabei ist ja, dass Algorithmen kein Bewusstsein haben. Es gibt, soweit mir bekannt, keinen Algorithmus, der lügen (also bewusst die Unwahrheit sagen) oder sich ironisch (also das Gegenteil von dem meinen, was gesagt wird) äußern kann. Selbst schlichte Mehrdeutigkeiten sind unmöglich (Emotionen dagegen lassen sich ganz gut simulieren). Ironische Wendungen (dem Leser der Weltsicht dürften sie bestens vertraut sein) erzeugen bei quantitativer Analyse also durchweg false positives.

Scharloth weiß das alles natürlich – umso verquerer erscheint es ihm, in wie hohem Maß sich (nach seinem Kenntnisstand) Geheimdienste offenbar auf diese quantitative Analyse qualitativer Strukturen verlassen, um „Gefährder“ im Netz ausfindig zu machen. Das hat durchaus komische Züge, was vor allem in der Langfassung seines Vortrags (siehe Link unten) weidlich zur Unterhaltung des Publikums beitrug.

Im eigentlichen Sinn „lustig“ ist das Thema aber nicht – als literarisch versierter Mitteleuropäer muss ich natürlich an Kafkas „Prozess“ und Orwells „1984“ denken. Andererseits: Warum eigentlich? Sind reflexhafte Assoziationen denn automatisch auch richtig?

Die ausführliche Fassung von Scharloths Vortrag, der am 27. Dezember des vergangenen Jahres gehalten wurde, ist hier zu sehen. Der Vortrag dauert 30 Minuten, der Rest ist Diskussion.

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