Johannes Kreidler: „Talk mit Fricke“ (2014)

Folgendes Video ist eine editierte und mit – vermutlich aus juristischen Gründen – einigen sehr lauten Piepstönen angereicherte Aufzeichung von Ausschnitten des Musiktheaters „Audioguide“ des Komponisten Johannes Kreidler. Kreidler wie Stefan Fricke spielen sich selbst – wenn man hier überhaupt noch von Fiktion reden kann:

Faszinierend, mit welch ungenierter Herablassung und mit welch unlustigem Zynismus sich der Neue Musik-Redakteur einer öffentlich-rechtlichen Anstalt hier in Szene setzt. Das übertrifft ja fast noch Barlows Diktum aus dem Jahr 1998: „Der Komponist ist wie eine Orchidee. Der Baum, auf dem er lebt, die Redaktion.“

Hier wird die Grenze zwischen Kunst und Realität wirklich durchlässig: New Conceptualism at its best, BRAVO!

22 Kommentare zu „Johannes Kreidler: „Talk mit Fricke“ (2014)

  1. @Stefan: Was interessieren mich die Gespräche, die der Herr Fricke unfreiwillig auf dem „Pissoir“ beim Pinkeln führt. Und immer, wenn’s mal konkret wird, kommt der Pfeifton. Wie feige ist das denn? Warum sollte ich diesen beiden zynischen Narzissten bei ihrer verbalen Befriedigung zusehen wollen? Schon schlimm genug, dass sie für den Schwachsinn bezahlt werden und anscheinend ein Publikum gefunden haben (in dem eine(r) immer an unpassenden Stellen sinnlos lacht, haha).

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  2. @Dennis: Komisch, mein Dramolett „Lokale Kulturpolitik macht müde und traurig„, das mit dem selben dokumentarischen Konzept arbeitet, fandest du interessant. Genausowenig wie es dort um den städtischen Kulturreferenten *als Person* ging, geht es hier um den Rundfunkredakteur als Person. Es geht um die Dokumentation von Machtstrukturen im Kulturbetrieb am lebenden Objekt (bzw. Subjekt), denn natürlich ist Fricke ein Gatekeeper, genau wie der Kulturreferent.

    Das Gelungene an dieser Szene ist, dass Kreidler Fricke vorführt, ohne dass dieser das zu bemerken scheint. Je „kleiner“, d. h. bedürftiger, sich der Künstler macht, desto mehr bläst sich der Redakteur auf, kommt ihm immer fieser à la „Soso, erst die GEMA als Nazi-Verein bashen, aber das Geld nimmst du schon, oder?“ Aber nur einmal, bei Minute 5, lässt er die Maske ganz fallen. Gefragt, ob er denn wirklich nur gute Entscheidungen treffe, sagt er wörtlich: „Nö, würd ich nicht sagen. Also, mich freut das auch, dass einer jetzt noch mal wieder einkaufen gehen kann dann. Also dann ist das Stück vielleicht nicht so gut, aber der kommt noch mal ’n Monat über die Runden, ist doch in Ordnung.“

    Da lief’s mir kalt den Rücken runter. Von so jemand finanziell abhängig zu sein muss wirklich die Hölle sein.

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  3. @Stefan: Keine große Überraschung, meine ich. So ist das eben, wenn man Auftragskompositionen zusammenklöppelt, die eigentlich keiner hören will. Da macht man sich dann eben vom Auftraggeber, in diesem Fall z.B. den wenigen öffentlichen-rechtlichen Redakteuren für diese Art der Musik, abhängig. Dass die dann gemessen an ihrer geringen allgemeinen Bedeutung aus Sicht der Komponisten extrem viel Macht haben, liegt wohl eher daran, dass es einfach keinen Markt abseits der subventionierten Institutionen gibt. Das kann man doch nicht den Redakteuren zum Vorwurf machen, das ist ein Systemproblem.
    Ich fand bei der „Unterhaltung“ eher bemerkenswert wie klein, unbedeutend und mickrig, die Beteiligten rüberkommen. Es geht gar nicht um Musik, sondern fast ausschließlich um Geld und Macht (Honorare, Preise, GEMA, Aufträge, Berufungen). Und noch etwas ist mir aufgefallen: Selbst ist es mir immer etwas peinlich zugeben zu müssen, dass sich nicht so viele Menschen für meine Musik/Videos/texte interessieren wie ich es mir gerne wünschen würde. Bei denen ist das Desinteresse anderer aber anscheinend auch noch eine spezielle Form des positives Feedbacks, so nach dem Motto: Wenn’s keiner kapiert, kaufen und hören will, MUSS es künstlerisch wertvoll sein, es ist quasi der Beweis dafür. Über dieses Paradoxon kann ich dann doch wieder herzlich lachen. Wie du ja weisst, vertrete ich die Meinung, wenn etwas keinen interessiert, ist’s manchmal auch einfach nicht interessant.

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    1. @Dennis:

      „Das kann man doch nicht den Redakteuren zum Vorwurf machen, das ist ein Systemproblem.“ Richtig, aber man darf doch bitteschön die Arroganz der Gatekeeper mal so ein bisschen entlarven, oder?

      „Es geht gar nicht um Musik, sondern fast ausschließlich um Geld und Macht (Honorare, Preise, GEMA, Aufträge, Berufungen).“ *Das* wiederum kann man dem Talk nicht zum Vorwurf machen, weil dies ja die Themenvorgabe war.

      „Bei denen ist das Desinteresse anderer aber anscheinend auch noch eine spezielle Form des positives Feedbacks […]“ Konnte ich nicht heraushören, scheint mir eine Unterstellung deinerseits zu sein. Ich versuche gerade, mir einen eKomponisten vorzustellen, der damit herumprahlt, dass niemand seine Musik hört … hm – nein, geht nicht. Ich denke, selbst in diesem Soziotop hat sich das neoliberale Erfolgsdenken weitgehend durchgesetzt.

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  4. @Schütze: Jetzt versteh ich. Ist natürlich ziemlich ärgerlich, wenn man so ein FDP-Weltbild hat, und dann kommt ja doch einer her (Stefan), der die Sache interessant findet. Dann muss man natürlich mal sein Kac*häufchen hinsetzen.
    (Woher wissen Sie überhaupt, dass sich sonst niemand dafür interessiert? Standen Sie vor der Halle und haben beobachtet, wie niemand die Halle betritt? Wieviel Publikum pro Subventions-€ müsste es denn in Schützens Weltbild sein? Wie misst man überhaupt die Resonanz und Auswirkung von Kunstmusik?)

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  5. @Dennis Schütze:

    Ich wünschte wirklich, der bescheuerte Begriff der Kultur-„Subvention“ würde mal so langsam ersaufen. Ist ja doch immer nur „-abbau“ mitgemeint, als implizierter Imperativ.
    Davon abgesehen hat diese ganze „wenns keiner hört ist es scheiße“-Argumentation sooooo ’nen Bart (ich strecke meine Arme gaaanz weit zu den Seiten aus). Ein Baum macht doch auch nur ein Geräusch beim Umfallen, wenn jemand daneben steht um’s zu hören. Von vorneherein irgendeine noch ungeschriebene Musik per Geldabdrehen aushungern zu wollen (denn darauf läuft diese Art der „Beweisführung“ immer hinaus) ist schon irgendwie ’ne extreme Maßnahme.

    Die Losung müßte dabei eigentlich lauten: Noch viel mehr Geld ins „System“ pumpen, noch viel mehr Aufträge, die „keiner“ hören will, noch viel mehr Konzerte vor drei bis sieben Leuten. Mehr Musik, mehr Quatsch, mehr Ausprobieren, mehr Scheitern. Und sogar: Mehr Frickes (oder, um’s nicht so einseitig zu machen: mehr Köhlers, oder Kämpfers, oder oder oder). Warum denn nicht? Ich wüßte wirklich nicht, warum nicht? Wer soll denn das Geld verteilen? Das können doch nur die Frickes dieser Welt. Das Schöne an einer Welt voller Frickes wäre ja, dass die sich gegenseitig dermassen auf den Keks gehen und allen möglichen Leuten Geld für Stücke geben würden, nur damit sie sich von den anderen Frickes abheben könnten. Ich sehe wirklich nicht, was daran verkehrt wäre.

    Von allem mehr. Nicht weniger.

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    1. @Erich Hermann: Nur weil die Argumentation alt ist, ist sie ja nicht falsch. Und es ist mir schon klar, dass Sie gerne mehr Gelder hätten (wer hätte das nicht gerne). Sie aber müssen bedenken, dass ich einer von denen bin, der dieses Treiben mitfinanziert und keinen Nutzen davon hat. Ich kann, wenn ich um mich schaue, auch den Nutzen für einen Großteil meiner Mitbürger nicht erkennen.

      Gleichzeitig bin ich aber auch kreativ und kulturtreibend, stehe also grundsätzlich vor ähnlichen Herausforderungen wie vermutlich Sie und Ihre Komponistenkollegen. Ich komme dabei schon seit Jahren komplett ohne Subventionen aus. Wenn sich was verkauft, freue ich mich, wenn nicht, finanziere ich es durch eine interne Mischkalkulation quer. Da muss ich selber schauen, wie ich das hinbekomme. Ich muss halt drauf achten, dass sich idealistische und honorarstarke Engagements in etwa ausbalancieren. Das ist gar nicht leicht, weil sich das vorher nicht immer voraussagen lässt. Im Großen und Ganzen funktioniert es aber. Teilweise gibt es auch Überraschungen: Idealistische Projekte rechnen sich auf einmal, bloße „Jobs“ stellen sich als inhaltlich außerordentlich anregend heraus. Dieses Modell hat einen sehr großen Vorteil: Ich muss nie um Geld betteln, ich bin künstlerisch unabhängig, bin niemandem Rechenschaft schuldig. Kennen Sie das Gefühl? Ist es nicht das, was viele anstreben?

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    2. @Dennis Schütze:

      Wahrscheinlich kennen Sie genau den „Nutzen“, den es hat, wenn man mit gigantischem Aufwand subatomare Partikel aufeinander jagt, um zu sehen, ob vielleicht noch irgendein subatomares Partikelchen dabei rauskommt. Das nennt man dann Grundlagenforschung. Und die wird nicht subventioniert, sondern es wird darin investiert. Hört sich doch netter an, oder? Hab auch noch nie davon gehört, dass es einen Investitionsabbau geben soll. So wird mit Begriffen, gewollt oder ungewollt (naja, meistens gewollt) eine bestimmte Politik verfolgt.
      Neue Musik ist gesellschaftliche Grundlagenforschung. Vieles geht in die Hose (immerhin ist das Ergebnis ja auch nicht vorher ausrechenbar), einiges funktioniert, weniges ändert auf lange Sicht das Selbstverständnis einer Gesellschaft. Denn das glaube ich schon: Dass Kunst (ich hasse diesen Begriff inzwischen, gibt aber keinen anderen) in einigen Fällen in den öffentlichen Diskurs einsickert und ihn prägt, verändert, revolutioniert. Diese wenigen Fälle bekommt man aber nur, wenn man alles mögliche zuläßt und sogar fördert, auch und vor allem Sachen, die zunächst keine Sau hören will.

      Den Vorwurf, ich argumentierte hier in eigenem Interesse, lasse ich einfach mal so im Raum stehen, zumal im Grunde auch Sie nix anderes machen: Weniger Geld für Kunstquatsch heißt ja automatisch mehr Geld für Sie.

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    3. @Erich Hermann: Ich bin ganz erstaunt: Für jemanden, der gerne von den Almosen anderer lebt, reißen Sie denn Mund ganz schön weit auf. Ein klein bisschen mehr Demut und ein etwas sanfterer Umgangston würden ihrer Sache vermutlich gut tun, meinen Sie nicht?

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    4. @Dennis Schütze:

      Ich erspare mir und Ihnen das ganze blogtypische Hin und Her, das eigentlich an solchen Stellen immer kommt, von wegen „Sie kennen mich doch gar nicht, woher wollen Sie denn wissen, wie ich mein Geld verdiene, und davon abgesehen sind Sie ja gar nicht auf meine Argumentation eingegangen“, darauf Sie „Wenn Sie ja was Substantielles zu sagen hätten“ und ich so „Dann müßten Sie mal genau lesen“ und Sie so „Dann müßten Sie erstmal gescheit schreiben“ und ich so „Mich nervt Ihre altväterlich-gütig-herablassende Art“ und Sie so „Ich glaube nicht, dass wir uns auf diesem Niveau weiter unterhalten können“ und ich so „Na dann lassen wir’s halt“ und Sie so „Okay“ und ich so „Doppelt Okay“ und Sie so „Gotteszahl“ und so weiter und so fort. Nein, tun wir mal so, als wäre dieser ganze Unterhaltungsbrabsch schon gegessen und verdaut.
      Was bliebe dann noch zu sagen? Vielleicht Folgendes:
      Wenn Sie von Kulturförderung wirklich als „Almosen“ denken (und das nicht nur irgendso’n Reizwortgebrauch war), dann verstehe ich Ihre Aufregung nun gar nicht mehr. Für ein Almosen kann keine Gegenleistung erwartet werden (abgesehen davon, dass man „natürlich“ in den Himmel kommt). ‚N Almosen gibt man und freut sich im Stillen drüber, dass man was Gutes getan hat. Und fängt nachher nicht an, sich über den Obdachlosen aufzuregen, der sich von dem eben gespendeten Euro ’n Fläschchen Waldesglück im Penny kauft. Wenn Sie erwarten, dass irgendein „Nutzen“ bei der Kunstschaffendenstütze rumkommt, dann ist genau das Gegenteil richtig: Im Moment isses nämlich tatsächlich der sprichwörtliche Euro, der auf dem Tisch liegt, und von dem kann man nun wirklich nicht mehr bezahlen als ein paar fuselige Betäubungsmittel.
      Und zu guter Letzt finde ich es auch nicht wirklich hilfreich, dass Sie sich selbst ständig auf die Schulter klopfen mit Ihrem „ich schaffs doch auch, warum ihr nicht“-Gesalbadere. Es passt andererseits aber zu Ihrem „Almosen“-Unsinn.

      Ach so, ich bitte „selbstverständlich“ meinen „Umgangston“ zu entschuldigen. Ich bin einfach kein Fan eines Sprachgebrauchs, der von des Gedankens Krankheit angeblässelt ist.

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  6. @Kreidler: Ich wundere mich über ihre gereizte Reaktion zu meinem für Sie doch vermutlich relativ bedeutungslosen Kommentar. Aber lassen Sie mich ihnen bitte eine Frage stellen um die Diskussion wieder zu versachlichen: Wie stehen Sie persönlich zu Kultursubventionen? Befürworten Sie sie? Lehnen Sie sie ab? Was sollen Subventionen bringen? Richten sie eventuell auch Schaden an? Würde Sie selbst gerne etwas am deutschen Kultursubventionssystem verändern? Das alles würde mich wirklich sehr interessieren, denn ich werde aus ihrer öffentlichen Haltung nicht schlau. Einerseits kritisieren Sie die Institutionen (Stichwort: GEMA), andererseits sind sie Teil davon oder wären es gerne (Stichwort: Lehrauftrag, Professur). Vielleicht gibt es ja eine plausible Erklärung.

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  7. @Schütze Danke für die Information über die Bedeutungslosigkeit, ich dachte tatsächlich, Sie meinen das ernst. Dann vergessen Sie meine Fragen, ich beantworte Ihre aber dennoch, klar, mir liegen diese Themen am Herzen: Subventionen sind nötig für Bildung, für öffentlichen Nahverkehr und zB für Kultur. Ich möchte nicht in den USA leben, in denen Kultur wenn überhaupt nur von Sponsoren getragen wird; ich bin überzeugt, dass die in einigen Bereichen desaströse amerikanische Politik mit einem eklatanten Mangel an kulturellem Fundament zu tun hat.
    Freilich sehe ich Probleme; zB obliegt die Vergabe von Geldern einzelnen Personen, die dann einige Macht über andere haben, wie Stefan Fricke, darum habe ich diesen Talk auf die Bühne gebracht. Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen das System der Kuratoren, mir geht es hier aber darum, dass die Dinge transparenter werden – genauso bei der GEMA. Manches wird zu Unrecht subventioniert, das will ich nicht leugnen, aber im Großen und Ganzen ist die Sache sinnvoll – zumal wir in einem so reichen Land leben.

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  8. @Kreidler: Danke für die klare Ansage. Die Forderung nach Transparenz kann ich nur auf ganzer Linie unterstützen, das sehe ich genau so. Auch die Finanzierung von Bildung, Nahverkehr etc. halte ich für eine staatliche Aufgabe, aber ich würde das selbstverständlich nicht als Subvention bezeichnen. Oder halten Sie alle staatlichen Ausgaben für Subventionen? Wirkliche Subventionen (Abwrackprämie, Bankenrettung, Atomenergie) halte ich auch dort für den falschen Weg.

    Die USA kenne ich ganz gut. Natürlich ist das Thema Bildung dort ein Problem für finanzschwache Bürger, aber das Land hat eben auch eine komplett andere Geschichte als die BRD, das müssen Sie unbedingt berücksichtigen. Und einen Mangel an Kultur braucht man dort sicher nicht zu beklagen. Der überwiegende Teil der wichtigen Impulse der Musik des 20. Jahrhunderts (auch Teile der von Ihnen sog. „Kunstmusik“) stammen meines Wissens von dort. Ganz so schlimm steht es um die Musikkultur dort also nicht und ganz sicher nicht um die Popkultur.

    Was mich stört und auch immer wieder genervte Kommentare platzieren lässt, ist Ihr Selbstverständnis (und das Ihrer Zunft), dass das was sie machen künstlerisch so wertvoll ist, dass die Gemeinschaft dafür bezahlen soll. Ich halte mich für einen grundsätzlich kulturinteressierten Menschen, aber für mich gilt das nicht. Vielleicht ist in Berlin alles ganz anders, aber sie müssten mal nach Würzburg kommen und sich ansehen was hier mit städtischer und staatlicher Unterstützung präsentiert wird, das ist zum großen Teil niederschmetternd langweilig und deren Überfinanzierung würgt gleichzeitig der freien Kreativszene den Hals ab. Die können da natürlich nicht mithalten. Aus meiner persönlichen Sicht wären deswegen nicht mehr, sondern weniger Subventionen die Lösung dieses Krampfes. Es steht natürlich weiterhin jedem frei, das zu machen was er für wichtig und richtig hält. Ich selbst (und auch Stefan Hetzel) haben beispielsweise noch nie Subventionen für die Musik erhalten, die wir machen, und wir machen es trotzdem, nicht für Geld, sondern aus Überzeugung. Es funktioniert ganz gut.

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  9. @Schütze, na gut, zu den USA habe ich eine andere Auffassung, ich war schon einige Male dort, aber es ist ein großer Unterschied zwischen NYC und einer ländlichen Uni im mittleren Westen, wo die Mensa aus drei FastFood-Restaurants besteht und Obama eine Rede beendet mit dem Satz „This is the best country in the world!“. Ich würde mir wünschen, an so einer Uni würde aufgeklärtes Theater gespielt, Kinofilme von Godard gezeigt und: Neue Musik dargeboten. Dafür bräuchte es mehr Subventionen (schöner wäre das Wort „Investionen“).

    Zum Selbstverständnis: Ich glaube, das ist eine etwas verzerrte Sicht (von außen?). Wenn ich meinen Fall als Beispiel nehmen darf: Es ist beileibe nicht so, dass mir Subventionsgeld hinterhergeschmissen wird. Ich habe mich mit hart „hochgearbeitet“, einen Ruf erworben, der sich doch einer gewissen Resonanz und Qualität verdanken muss, sonst würden nicht professionelle Kuratoren diese Gelder mir überrantworten. Und dennoch weiß ich nie, wie es in zwei Jahren aussieht.
    Sowieso finanziere ich mich teilweise quer, ich könnte vom Komponieren nicht gut leben, ich gebe noch privaten und akademischen Unterricht, Vorträge, ich mache sogar Musiken für Meditations-CDs. Auch mir ist es wichtig, zumindest teilweise künstlerisch möglichst autonom arbeiten zu können, ich will auch mal ein kleines, schmutziges YouTube-Video machen. Andererseits möchte ich aber auch Projekte realisieren, die sich eben nur mit Hilfe von Institutionen und den entsprechenden Geldgebern durchführen lassen. Glauben Sie mir: Dafür, dass Sie gänzlich ohne Subventionen auskommen, beneide ich Sie. Andererseits, vielleicht hätten / sollten Sie es auch mal versuchen, an solche Gelder zu kommen, man könnte doch tolle Sachen damit schaffen.

    Es bleibt das Problem, dass sich der Wert und die Wirkungen von Kunst nicht messen lassen (die Zuschauerzahlen allein sind es jedenfalls nicht). Es wage ja zu behaupten, auch Anton Weberns Quartett Opus 22 hat zum Fall der Mauer beigetragen. Also das ist dann zu einem guten Teil Glaubenssache, aber ich denke, dass wir insgesamt in Mitteleuropa sehr gut leben, da muss auch die kulturelle Anstrengung etwas damit zu tun haben.
    Ob jedes Stadttheater und jedes Orchester gebraucht wird, da habe ich auch meine persönlichen Zweifel. Intendanten sind definitiv viel zu hoch bezahlt, während die sogenannten „freien“ der Szene darben. Die Lösung wäre m.E. aber nicht die Abschaffung von Subventionen, sondern eine andere Verteilung, oder am besten, wie Erich Hermann auch sagt: viel mehr davon.

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    1. @Kreidler: Es freut mich, dass wir uns hier so offen und unzweideutig austauschen können. Ich teile nicht alle ihre Meinungen, aber ich verstehe inzwischen ihren Standpunkt viel besser als vorher. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mir das zu erklären. Dürfte ich Sie aufgrund Ihrer Aussagen bzgl. der Subventionen – um es einmal überspitzt zu formulieren – einer „Gebt uns mehr!“-Fraktion zurechnen? Wäre das prinzipiell richtig? Ich selbst wäre dann wohl ein Vertreter der „Gebt ihnen weniger!“-Fraktion. Dazu könnte ich prinzipiell stehen.

      Stefan Hetzel und ich haben übrigens schon mehrmals die Idee durchgespielt, was wohl passieren würde, wenn man von heute auf morgen alle Subventionen für Musik jeglicher Art komplett streichen würde. Was würde übrig bleiben? Vornehmlich wohl kommerzielle, rituelle und intrinsisch motivierte Musik. Ich denke, es wäre auf jeden Fall ein interessantes Selektionsverfahren. Auf mich persönlich hätte es allerdings fast überhaupt keine Auswirkungen (evtl. wäre die jährliche GEMA-Überweisung minimal höher). Wären Sie noch ohne Subventionen dabei? Ich hoffe doch!

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  10. @Schütze: „Gebt uns mehr“ sagte ich hier mehr hypothetisch, da ich denke, es kann immer noch mehr sein ohne Schaden. Am liebsten wäre mir ja ein bedingungsloses Grundeinkommen, aber das ist derzeit noch nicht realistisch. Wie dem auch sei, Ich bin grundsätzlich für das jetzige System der sogenannten Subventionen für Kultur, auch wenn einige Fälle von Institutionalisierung mir ebenfalls nicht gefallen, und auf die ich auch immer wieder hinweise.
    Manche Dinge sind nur mithilfe von Subventionen realisierbar, ich empfände es als großen Verlust, wenn es keine Opernhäuser, keine Theater und keine Konzerthäuser mehr gäbe, bzw. nur noch solche Häuser, die von Eintrittskarten leben müssten, ebenso wie es Bibliotheken geben muss – müssten die von Mitgliedsbeiträgen leben, dann gäbe es sie nicht.

    Intrinsisch motivierte Musik wünsche ich mir auch, Gottseidank gibt es sie mannigfaltig – wenn die hingegen nur noch im kapitalistisch finanzierbaren Umfang machbar ist, dann kann das die Lösung nicht gewesen sein. Mein Gedankenspiel geht ja umgekehrt: Was wäre, wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe, und eine „bedingungslose Aufführungsgarantie“? Wenn die Komponisten also tatsächlich komponieren dürften/“müssten“, was sie wollen?

    Dass Sie autark als Künstler sind, ich wiederhole es, bewundere ich, zumindest mit YouTube-/ePlayer etc.-Formaten will ich mir das auch bewahren. Ich bedaure aber, dass Sie solchen Argwohn gegen die Subventionskultur haben, Sie scheinen nie einen Glücksmoment im Konzertsaal, in der Oper oder beim Radiohören gehabt zu haben, scheinen über den Rahmen der innerhalb Ihrer Philosophie machbaren Arbeit nie hinausfantasiert zu haben, noch sehen Sie, dass kulturelle Arbeit weit über das konkrete ‚Produkt‘ hinaus für die Gesellschaft Bedeutung hat.

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    1. @Johannes: Na na, jetzt bitte dem Dennis Schütze nicht komplette Engstirnigkeit unterstellen, das vergiftet nur wieder die Atmosphäre, danke. – Zur Sache: Der Begriff „Subvention“ trifft es eigentlich nicht. Es handelt sich wohl eher um eine „Kunst-Umlage“: Der deutsche Staat (bzw. der Fiskus) stellt einen (geringen) Teil seiner Steuereinnahmen zur Unterstützung künstlerischer Arbeit zur Verfügung. Warum? Weil es zum Common Sense dieses Staates gehört, dass künstlerische Arbeit einen Wert an sich darstellt und nicht allein den Gesetzen des Marktes ausgeliefert sein sollte, wie etwa die Herstellung von Laubbläsern. Eine „Laubbläser-Umlage“ würde gegen den Common Sense verstoßen.

      Im Gegensatz zum klar definierten Laubbläser ist „Kunst“ aber ein soziokulturelles Emergenzphänomen. Also muss (und soll) permanent verhandelt werden, wer die Staatsknete denn nun kriegt. Dafür sind Gatekeeper wie Stefan Fricke bzw. der Würzburger Kultur-Referent da. Eigentlich ist das kein dankbarer Job – ernsthaft betrieben, müsste jeder Kunst-Gatekeeper ein Superhirn sein. Es ist aber, mit Verlaub, nur Stefan Fricke (nichts gegen Herrn Fricke, ich kenne ihn nicht).

      Das Gegenmodell von Dennis (und mir – bisher) ist tatsächlich „staatsferner“ (was allerdings m. E. nicht automatisch „FDP-affin“ bedeutet), man könnte sogar sagen, anarchistischer, independent-mäßiger. Der Künstler verdient sein Geld mit „irgendwas“ (vgl. auch Charles Ives, Franz Kafka) und generiert so eine „Kunst-Umlage“, die er an sich selbst auszahlt.

      Letztlich macht es keinen Sinn, beide Lebensentwürfe (denn um nichts Geringeres handelt es sich hier) gegeneinander auszuspielen. Die Nachteile des „staatsnahen“ Entwurfs hast du im „Talk mit Fricke“ mehr als deutlich aufgezeigt, über die Nachteile des „staatsfernen“ Entwurfs könnten Dennis und ich tagelang jammern – tun wir aber nicht. Zumindest jetzt nicht. Oder interessiert das hier irgendjemanden?

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  11. @Stefan, worin besteht der Lebensentwurf, den Du gerade ansprachst, nun tatsächlich? Sicher wohl im Kunst erschaffen! Und wieso genau das?
    A) Um sich „auszudrücken“?
    B) Die Gemeinschaft mit „Sauerstoff“ anzureichern“, Neues zu generieren?
    C) Geltung und Status zu erlangen
    D) Um „anders“ zu sein wie die anderen

    A) und B) würde ich begrüssen, C und D weniger.
    Für mich ist der ein Künstler, für den Geltung erlangen drittrangig ist. Da soll er Mathematikrätsel lösen und damit an die Öffentlichkeit gehen.
    „Künstler“ zu sein ist in meinen Augen eigentlich immer ein Wagnis und ich finde eigentlich gut, daß es so ist. Man denke nur an Deines Flasche, die Du in den Ozean einschiffen würdest.
    Man muß auch, so meine ich, immer abwägen, wieviel seiner Kraft man in Kunstproduktion stecken will.
    Das, was ich sagte, hat nur indirekt mit der Diskussion um „Subvention“ oder Nichtsubvention“ zu tun.
    Es ging mir mehr darum, wieso ich eigentlich „Kunst“ in die Welt bringen will. Und da hat Hermann ja oben etwas erwähnt, was mir gefiel:
    …..Dass Kunst (ich hasse diesen Begriff inzwischen, gibt aber keinen anderen) in einigen Fällen in den öffentlichen Diskurs einsickert und ihn prägt, verändert, revolutioniert….

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    1. @Gerhard: Meine Formel hieße dann wohl A + B – D = C. Aber vier wichtige Komponenten fehlen: Idiotie (vgl. auch „Wer komponiert, ist ein Idiot„), Frivolität, Mutwillen und Blödsinnigkeit.

      Ich musiziere / komponiere, damit mir weniger langweilig ist. Damit das Leben weniger langweilig ist. Das hat aber nichts mit Wohlstandsverwahrlosung oder so zu tun. Ich lebe schon seit Jahrzehnten (freiwillig) nicht mehr im Wohlstand. Ich bin im Wohlstand aufgewachsen und naturgemäß ödet er mich seit der Pubertät an.

      Bei 80% meiner Kohorte war das aber ein bisschen anders, wie ich mittlerweile weiß (sie ist von Florian Illies recht treffend als Generation Golf porträtiert worden). Aber ich bilde mir nichts drauf ein und streite lieber mit RepräsentantInnen der restlichen 20% um die korrekte Form der Idiotie, die angemessene Frivoliät, den passenden Mutwillen bzw. die adäquate Blödsinnigkeit (im Theoriesprech formuliert: Wir diskutieren die soziokulturelle Relevanz ästhetischer Praktiken).

      Immer, wenn etwas von meiner künstlerischen Arbeit in den „öffentlichen Diskurs einsickert“, freue ich mich natürlich. Jede Form von diesbzgl. Status- und Geltungsgewinn akzeptiere ich gerne. Ich lege großen Wert darauf, dass dieser Lebensentwurf weder „subversiv“ (jaul), noch „existenzialistisch“ (kotz) oder gar „radikal“ (würg) ist. Er ist einfach eine Option, die sich als viabel erwiesen hat, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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  12. Im Wohlstand lebst du sicherlich..denn was ist Wohlstand anderes als sich den Dingen umfassend widmen zu können, die dir wichtig sind.
    Meine Aufzählung der Komponenten v Kunst war natürlich un-komplett. Meine Punkte dienten ja nur als einstieg zu meiner Sicht/ meinem Gedanken, dass status nach gelagert sein sollte. Primär sollte es ums kreieren gehen. Ich gebe zu, dass etwas Kuenst. Wertvoll sein kann, wenn es eine Entdeckung beinhaltet u ich diese freudestrahlend vorführen darf. Aber irgendetwas stört mich an der Lust auf status und geltung, gerade in der kunscht.

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