(Publiziert 1934.)
Die Zeitangaben in allen Protokollen beziehen sich auf die Interpretationen von Nikolaos Samaltanos (Sonaten 1, 4, 5, 9, 10 und 11) und Christophe Sirodeau (Sonaten 2, 3, 6, 7, 8 und 12) aus den Jahren 2003 und 2004, die als MP3-Download erhältlich sind: Sonaten 1 – 6, Sonaten 7 – 12
[Semantisierendes Echtzeit-Hörprotokoll] 0:00 Ja, die neue Geliebte, ihre Feingliedrigkeit, ihre Zartheit, ihre schöne Seele, unglaublich, wie es mich beruhigt, besänftigt, meinem zerrütteten Nervenkostüm neue Festigkeit verleiht. 0:50 Und wie voller Antrieb ich bin, wie voller Tatendrang. Alles, alles muss sich ändern, muss sich erneuern, muss neu werden, mein ganzes Leben! 1:44 Da schwebt sie herein, ihre Kleider umhüllen sie feenhaft, es ist kaum zu glauben. Ich himmle sie an. Und wie klug sie ist! 2:30 Obwohl, manchmal plappert sie etwas unbedacht dahin. Das verdrießt mich dann doch gelegentlich. 2:50 Wir kommen ein wenig ins Zanken, bedauern dies aber beide sogleich aufrichtig. 3:20 Eine unerwartete Stille tritt ein zwischen uns, eine Ernsthaftigkeit. Die Außenwelt in ihrer unverhohlenen Grimmigkeit dringt herein. All das Elend! 4:10 Wir grübeln gemeinsam über die Verzweifeltheit unserer Lage. Ihre Einschätzung erscheint mir klug und verständig, ich bewundere sie. 5:12 Sie streichelt mich ein wenig, ich tätschle ungeschickt ihre weiße Hand. Sie lächelt. Ich lächle. Wir beruhigen uns beide wieder, ganz allmählich tritt die Außenwelt wieder zurück. 6:25 Stille, aber diesmal keine ernste, sondern eine beruhigte Stille nach dem Sturm. 6:55 Draußen beginnt es zu schneien, wir blicken beide geistesabwesend aus dem Fenster. 7:45 Es wird uns nun beiden sehr feierlich, sehr besinnlich zumute. Wir halten einander die Hände, blicken uns gegenseitig in die Augen. Es ist schön. Es ist traut. 8:30 In mir kriecht eine Angst hoch, ganz leise, aber beständig wachsend: Das kann nicht so bleiben. Das wird vergehen. Dieser Moment ist einfach zu schön. Schon ist er Erinnerung. 8:48 Sie hat Pläne, große Pläne! Was für Pläne sie hat. Sie berichtet ruhig und klar. Ach, sie ist jung, so jung – und ich ein alter Hagestolz! Ich lausche verzückt ihrem Unsinn. 10:14 Aber nein, ich will sie nicht bremsen, ich höre ihren Fantastereien einfach zu, lasse sie reden, sich ausreden, lasse ihren Fantasien Raum. Bis sie beginnen, mich zu langweilen. 10:55 Jetzt höre ich nicht mehr so richtig hin, es interessiert mich nicht mehr wirklich, ihr Geschwätz. Stattdessen schweifen meine Gedanken ab, in meine eigene, trübe Welt des Selbstzweifels und der unausgelebten Rache. 11:50 Sie hat das gemerkt, beschuldigt mich der Egozentik. „Ich liebe nur dich“, protestiere ich, aber sie nennt mich einen alten Heuchler. Da ist er wieder, der Zank, heftiger denn je. 12:35 Wir versuchen beide, zurück in unsere traute Zweisamkeit zu kommen. Mit Erfolg. Es wird wieder traut, und ernst. Aber nur kurz. 12:55 Plötzlich brechen Beschwerden hervor. Erst bei ihr, dann bei mir. Nein, so geht das nicht weiter! 13:15 Gegenseitige Enttäuschtheit, dann toter Punkt. 13:30 Vermittlungsversuche. 13:55 Sie sagt etwas Trauriges, leicht Verächtliches. 14:10 Ich brause auf. Sie empört sich. Es knallt.
Zweisamkeit und Einsamkeit sind nicht rein zufällig als Worte gleich aufgebaut.
Wieso nimmt man nur alles so ernst?
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@Gerhard: Gute Frage.
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