«winterkälte (ambient 17)»

Klänge Tetra, Oatmeal, ABvst, Prova, Sophia (Software-Synthesizer)
Verarbeitung Cubase
Faltungshall York Minster (Damian Murphy)

Kompositionsnotiz

ss
Farblich veränderter Screenshot meines Desktops während der Komposition von «winterkälte (ambient 17)». Alle verwendeten Komponenten sind sichtbar. Die rote Linie symbolisiert den ungefähren Signal- bzw. Datenfluss. Für größere Ansicht bitte auf das Bild klicken.

Jetzt habe ich mich natürlich weit aus dem Fenster gelehnt und am Montag dreist behauptet, «winterkälte (ambient 17)» sei unter akutem Krautrock-Einfluss entstanden – das war aber ein wenig geflunkert. Aber so ganz an den Haaren herbeigezogen ist die Kraut influence auch nicht, denn als ich den bereits fertigen Track schließlich mit Tangerine Dreams 43 Jahre älterer „Phaedra“ in eine Playlist sperrte und den Crossfader auf 20 Sekunden kalibrierte, erwischte ich mich dabei, wie ich den Übergang zwischen beiden Stücken nicht wahrgenommen hatte … was immer das nun bedeuten mag.

Sei’s drum, «winterkälte (ambient 17)» entstand kurz vor meiner Begegnung mit Whalleys Krautrock-Doku in erster Linie aus einem plötzlich und dringend auftretenden Bedürfnis nach Abwechslung heraus, nachdem ich mich seit mindestens einem Vierteljahr nur noch mit Musik für (virtuelle) akustische Tasteninstrumente beschäftigt hatte.

War da nicht mal was mit, äh, Synthesizern? Ja, richtig, vor allem sogenannte Software-Synthesizer (SoftSynths), also letztlich Codebrocken mit grafischer Benutzeroberfläche, die massenweise kostenlos im Netz herumschwirren und stets von vermutlich sehr jungen und ganz sicher sehr nerdigen Männern, denen schon immer meine innige platonische Zuneigung gehörte, fabriziert werden, haben es mir stets angetan. Schnell bekam ich meine vier Lieblings-SoftSynths wieder zusammen, „Tetra“, „Oatmeal“, „ABvst“ und „Sophia“. Dazu gesellte sich Safwan Matnis „Prova“, ein hübsch gesampelter alter Flügel unbekannter Provenienz.

Ursprünglich  hieß der Track «fluctin reloaded (ambient 17)», weil ich die triggernden Note-On-Befehle 1:1 aus meiner Klanginstallation „Fluctin 02 (Moabit)“ von 2005 übernahm. Die Neukomposition bestand lediglich darin, die Note-Ons, die harmonisch aus terz- und quintgeschichteten Akkorden bestehen und rhythmisch in Patterns organisiert sind, mit den Klängen der o. g. SoftSynths neu zu „orchestrieren“. Dabei habe ich mich von folgenden gestalterischen Vorstellungen leiten lassen:

  • Die Stimmung des Tracks sollte weder angenehm/positiv/entspannend noch düster/bedrohlich/beunruhigend ausfallen, sondern beides gleichzeitig, so dass man nachher nicht weiß, ob man ein eher „helles“ oder eher „dunkles“ Stück gehört hat. Zuständig für’s Helle waren Tetra und Prova, Oatmeal verharrte unentschieden in der Mitten, während ABvst und Sophia entschieden Dunkles beisteuerten.
  • Die Note-Ons beschränkten sich auf  die o. a. Terz/Quint-Schichtungen, Improvisation fand nicht statt. Auch rhythmisch blieb es bei durchgängiger Pattern-Gebundenheit ohne jede Variabilität.
  • Im Sinne des Musikkonzepts „Ambient Music (Brian Eno) / Musique d’Ameublement (Erik Satie)“ sollte jeglicher Eindruck von musikalischer Narrativität vermieden werden, weswegen ich den Track ohne Hörkontrolle nach 20 Minuten ausblendete. Dass ein einzelner Klavierton am Ende steht wie ein Ausrufezeichen, war ein schöner Zufall.
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Ein Kommentar zu „«winterkälte (ambient 17)»

  1. Reichhaltiges Stück, danke!
    Wieso hast Du eigentlich nicht mindestens 2 Bildschirme? Das wäre dann doch einfacher zu handhaben.
    Höre es gerade zum 2. Mal 🙂
    Mir hat es auch der Begriff „Nerd“ angetan. Sorry, daß ich darauf zurückkomme, anstatt weiter über die Komposition zu reden.
    „Eigenbrötlerisch“ fiel mir heute Morgen ein. Ohne zu wissen und wissen zu wollen, woher der Begriff kommt, sagt er mir: Der der (vornehmlich) von seinem eigenen Brot lebt. Wenn man das so stehen lassen kann als „nerdige“ Interpretation des Begriffs Eigenbrötler, dann geht eine solche Lebensweise natürlich nur, wenn das Brot reich und unablässig/stetig nachwächst. Ein eigenbrötlerischer Mensch aber ist eigentlich nicht „reich“ per definitionem. Er ist starrsinnig, wenig beweglich, hat einen ausgeprägten Eigensinn, ernährt sich immer vom Gleichen.
    Ein Nerd dürfte also mehr Jemand sein, der eine Nische gefunden hat (oder mehrere Nischen auch), und der sich darin austobt, es zu einem kleinen Universum macht. Der Reichtum des Nischenlebens ist von aussen selten zu erkennen, es sei denn, der Nerd würde es nerd-unüblich offenlegen, was er so tut.
    Solche Nerd-Anteile habe ich auch. Ich weiß noch, wie ich am Geburtstag meines Bruders, der diese Feier mit vier weiteren Anlässen verknüpfte, eine Betrachtung zur Zahl 5 vorlas und damit wohl sicher meinen ohnehin „verdorbenen“ Ruf noch weiter verfestigte.

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