Dorian Supin, Autor, Regisseur und Kameramann dieses knapp einstündigen Films, ist voller Respekt und Verehrung für den baltischen Meister. In der auch wg. ihrer Dauer bemerkenswerten Schlüsselszene sieht man – siehe YouTube-Vorschaubild oben – Pärt ausgiebig das Haupt inkl. legendär hoher Stirn auf dem Glanzlack eines Konzertflügels, dem er offenbar gerade ein paar Töne abringt, ekstatisch hin- und herrollen. Dazu hört man allerdings nicht den O-Ton, was zweifellos interessant, aber vermutlich musikalisch „unvollkommen“, weil improvisiert, gewesen wäre, sondern ein, natürlich perfekt interpretiertes, Pärt-Wärk [sorry, zwanghaftes Wortspiel] aus der Konserve.
Ich bin fern davon, Pärt die religiöse Inbrunst abzusprechen, wer bin ich denn, ein mieser kleiner Agnostiker, sonst nichts, aber gewisse Selbstdarstellungstalente spielen bei seinem gigantischen Publikumserfolg denn sicher auch eine nicht unwichtige Rolle. Supin lässt sich leider vom Super-Ego des Esten vollkommen in Beschlag nehmen und zeigt Pärt so, wie er sich, vermutlich, selbst sieht bzw. sehen möchte: Als „einfachen und bescheidenen Arbeiter im Weinberg des Herrn“ (Benedikt XVI.), dem die Musik quasi zuteil wurde, nein, er hat sie nicht selbst komponiert, er hat sie (meine Wortwahl) „unbefleckt empfangen“ wie weiland die Hl. Jungfrau das Jesuskind (siehe Symbolbild unten).*
Dagegen lässt sich schlecht argumentieren, und deshalb verzichtet Supin auch gänzlich auf irgendeine Form von diskursivem Kommentar. Stattdessen gibt’s, wer hätte es gedacht, Bilder, die auch vom Kollegen Tarkowski stammen könnten, sog. „starke“ Bilder durchaus, gipfelnd in der Schlusseinstellung, die den zierlichen Pärt erstaunlich leichtfüßig über eine allerdings eher mickrige Brandungswelle springen lässt.
Blöd nur, dass seine Kompositionstechnik dieser Jahre durchaus zur Gänze nicht-christlichen US-amerikanischen Downtown-Minimalisten, also Steve Reich und Phil Glass, aber auch dem kuriosen La Monte Young**, abgelauscht ist, was ich zwar in keinster Weise ehrenrührig finde, schließlich hat niemand die Musik alleine erfunden, aber erwähnen darf man es ja ruhig mal: Herr Pärt, sie sind ein Post-Minimalist, das ist doch keine Schande, hat aber nichts mit göttlicher Offenbarung zu tun, wird man ja wohl noch sagen dürfen.
Stilistisch am stärksten genähert habe ich mich Pärt übrigens mit dem (hier mit Samples mehr schlecht als recht simulierten) fünfeinhalbminütigen Orchesterwerk „Bernhard“ aus dem Jahr 2006, …
… welches allerdings komplett agnostisch, nämlich durch die prosaisch-buchstäbliche Sonifikation eines Gedichtes von Thomas Bernhard, entstand (Details hier).
** Der bsp.weise von Johannes Kreidler durchaus geschätzt wird. Sicherlich auch kein Zufall ist die mönchisch anmutende Barttracht beider Herren (also Pärts und Youngs, nicht etwa Kreidlers, den ich nur glattrasiert kenne).
Danke für das Zukommen des Videos! Ich werde es mir sicher anschauen.
Ich denke, der Name Arvo Pärt ist in etwa so geläufig wie es in der bildenden Kunst der Name Kienholz oder Rauschenberg ist: Wer sich mit anspruchsvoller Musik beschäftigt, kommt an dem Namen Pärt nicht vorbei.
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