«neo-geo» (abstract electro-acoustic composition 2)

Spektrogramm der Komposition, erstellt mit Sonic Visualiser

Soundfont Yamaha C5 Konzertflügel „Salamander“ (Alexander Holm)
Kompositionssoftware / Sample Player Falcosoft Soundfont Midi Player (Zoltán Bacskó)
Audio Software Audacity
Plug-Ins Makunouchi Bento (Big Tick), Random Panning (David R. Sky)
Faltungshall Large Factory Amsterdam (F. van Saane)

Kompositionsnotiz

Es ging darum, eines meiner stets wiederkehrenden ästhetischen Grundprobleme zu lösen: dem gleichzeitigen und gleich starken Bedürfnis nach einer minimalmusic-kristallinen, „reinen“ und einer postpunk-düsteren, „trashigen“ Ästhetik.

Screenshot meines Desktops während der Komposition von "neo-geo"
Screenshot meines Desktops während der Komposition von «neo-geo»

Ausgangspunkt war das Standard MIDI File meiner Komposition «Pulse II» aus dem Jahr 2008, das ich mit dem größten (d. h. am feinsten aufgelöstesten) freien Klavierfont, der mir derzeit zur Verfügung steht, dem sog. „Salamander“-Font, neu renderte (Grund: „Realistik“). Dabei verwendete ich erstmals Zoltán „Falco“ Bacskós „Midi Player“, der während des Rendering-Prozesses eine beliebige Neu-Skalierung der Original-Tonhöhen in Echtzeit ermöglicht. Ich entschied mich für die Skala „Blues-like“ (siehe Screenshot oben), die das Original deutlich lieblicher und sentimentaler macht. Das Ergebnis zeichnete ich mit Audacity auf.

Dem Kristallinen war damit Genüge getan, ich konnte nun guten Gewissens zur systematischen Verschmutzung und Verunreinigung übergehen. Dazu filterte ich (ebenfalls unter Midi Player, ebenfalls in Echtzeit) das Ausgangsmaterial zusätzlich zur Neu-Skalierung durch den recht biestigen Ringmodulator „Makunouchi Bento“, der zu einem guten Teil „macht, was er will“, weil sich hier diverse Klangmodulatoren in Echtzeit gegenseitig filtern, ohne dass man eingreifen könnte. Wiederum wurde das Ergebnis mit Audacity aufgezeichnet.

"Verspleißung" zweier Varianten des Ausgangmaterials mithilfe einer Random-Panning-Funktion unter Audacity
Verspleißung der beiden Varianten des Ausgangmaterials mithilfe einer Random-Panning-Funktion unter Audacity (Details im Text)

Anschließend lud ich beide Varianten dieses akustischen Halbzeugs in Audacity und synchronisierte sie manuell. Nun ging es darum, die Tracks so zu verspleißen, dass sich ein ungekünsteltes Drittes wie aus einem Guß ergab. Hierfür wählte ich das Nyquist-Plugin „Random Panning“, welches in der Lage ist, das Audioeingangsmaterial sehr langsam im Stereopanorama hin- und herzuschieben – ein an sich simpler, aber psychoakustisch äußerst wirksamer Effekt, dem ich erstmals vermutlich auf „Red Mecca“ von Cabaret Voltaire begegnete. Ich wandte das Random Panning auf beide Tracks unabhängig voneinander an, mischte anschließend alles zu einem Stereotrack zusammen und tauchte diesen danach großzügig in den Faltungshall einer niederländischen Fabrikhalle ein.

Der Arbeitstitel der Komposition war «Quick ’n‘ Dirty Minimal» gewesen, «neo-geo» erschien mir aber schließlich schicker, zumal sich das Stück damit gleicht selber in der jüngeren Kunstgeschichte zu verorten sucht. Schließlich wurde die Komposition zur (nach «tetrapat») zweiten meiner abstract electro-acoustic compositions deklariert. Der gesamte Entstehungsprozess von der ersten vagen Idee bis zur vorliegenden Audiodatei hat 1 – 2 Wochen in Anspruch genommen.

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4 Kommentare zu „«neo-geo» (abstract electro-acoustic composition 2)

  1. Frage: Du schreibst „das Audioeingangsmaterial sehr langsam im Stereopanorama hin- und herzuschieben“ und dann gleich weiter von „auf beide Tracks unabhängig voneinander an“. Das scheint sich zu widersprechen. Stereopanorama heißt für mich,das Duo als Ganzes abzustimmen, es zu synchronisieren. Dass du dann doch Einzelarbeit an den Tracks verrichtest, lässt mich etwas ratlos zurück.
    Etwas ungelenk mit Handy geschrieben.

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  2. @Gerhard: Danke für deine aufmerksame Lektüre meiner Kompositionsnotiz und du hast natürlich recht, das habe ich etwas missverständlich beschrieben. Diese musikproduktionstechnischen Vorgänge, die mir mittlerweile beängstigend flott von der Hand gehen (die Übung…), sind oft gar nicht so leicht zu verbalisieren … und genau deswegen übe ich das hier ja auch (unter anderem). Deshalb danke für die konstruktive Kritik 🙂

    Also: Ich habe zwei verschiedene Stereotracks unabhängig voneinander dem Random-Panning-Algorithmus unterworfen. Ich wollte, dass sie recht unberechenbar „umherschweifen“ wie zwei akustische Irrlichter. Es kann durchaus sein, dass kurz mal alles nur ganz links zu hören ist und oder ganz rechts oder nur in der Mitte etc. Ästhetisch wollte ich mit dieser Aleatorik (zusammen mit dem Kurzwellenradio-Sound, den der Ringmodulator erzeugt) ein Gegengewicht zur erhabenen Symmetrik der Minimal music setzen. Jetzt klarer?

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  3. Den leicht trashigen Klang mag ich sehr. 🙂

    Mit dem Titel tu ich mir schwer. In meinem Kopf verdreht sich was, wenn ein Stück nach einem Genre benannt wird. Vielleicht albern von mir, aber das stößt mir tatsächlich auf… besser würde mir gefallen, wenn der Titel selbst neo-geometric wäre, als nicht als Wort „neo-geo“ sondern die Buchstabenfolge des Titels folgt derselben minimalistischen Ästhetik… ohwei, ich denke da vermutlich etwas zu weit in eine andere Richtung…

    Wo am Ende Einzeltöne auftauchen, erinnert es mich sofort an Stockhausens Mantra – das ist der Fluch der Ringmodulator-Piano-Stücke… der nur gebrochen werden kann, wenn ganz viele Leute für diesen Klang komponieren und neue Assoziationen gelegt werden. In diesem Sinne, man mache ein Genre draus! 😉

    Ich fände interessant, was du genau unter „kristallin“ verstehst, und was für dich Kriterien von gelungener Minimal-Music ist, so von der Struktur her. Ich tu mir da nach wie vor schwer, es einzuschätzen – immer mal wieder gefällt mir etwas Minimalistisches, aber in den meisten Fällen liegt es entweder an der Harmonik oder am weiteren Kontext (z.B. Film-Assoziationen). Bei Steve Reich selbst ist mir oft die Harmonik zu schal (oder zumindest glaube ich, dass das der Grund ist, warum es mich nicht so reizt) und bei Stücken, die das Label „postminimalistisch“ tragen, ist oft gar nichts dran, was mich reizt, oder ich hab auch kein besonders gutes Verständnis dafür, was mit diesem Label beklebt werden soll und was nicht (manchmal ist der „minimal“ Anteil dann eben, nunja, minimal)

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