Der paläokonservative, aber leider schon sein Längerem fatal populäre britische Philosoph Sir Roger Scruton hält die Moderne an sich, besonders aber die moderne Architektur, für eine zivilisatorische Fehlentwicklung. Die heute beginnende Artikelreihe „Scruton’s Nightmares“ konfrontiert einschlägige Aussagen Scrutons mit handverlesenen und -gefilterten Fotos sog. „brutalistischer“ Architektur v. a. der 1970er-Jahre.
Was das soll? Nun, einige der Gegenwartsdiagnosen des britischen Wiedergängers von Ernst Jünger sind zwar im Detail durchaus erhellend und in jedem Fall unterhaltsam. Ich bin aber der Überzeugung, dass Scruton im Ganzen mit seiner intellektuell verbrämten „Früher war alles besser!“-Sentimentalität einer Illusion aufsitzt, die gerade enormen intellektuellen Flurschaden in vielen KöpfInnen anzurichten in der Lage ist.
Wie Scruton genau irrt, versuche ich in kurzen Kommentaren zum jeweiligen Zitat zu begründen.
Viel Vergnügen wünscht
der Blogbetreiber
There are no chords in modernist architecture, only lines—lines that may come to an end, but that achieve no closure.
Roger Scruton: Cities for Living | www.city-journal.org Frühling 2008
Casa del Portuale
Neapel
Aldo Loris Rossi
1980
Analog zur Entwicklung der modernen Kunstmusik gibt es sehr wohl Akkorde in der modernen Architektur, aber das können eben auch Cluster sein, die sich keiner Kadenz (closure) fügen. Demzufolge müsste Scruton auch ein Gegner jeglicher Form nicht-kadenzierender Musik sein. Also auch der Gregorianik? Die besteht ja – zumindet in meinen Ohren – durchaus ebenfalls aus lines that may come to an end, but that achieve no closure.
Die Asymmetrie des Gebäudes, so von mir anhand des Fotos einsehbar, ist beeindruckend.
Man fragt sich auch, wie dieses Gebäude zustandekam? Also, wie wurde es bewilligt?
Das ist vielleicht spannender noch als das Gebäude selbst.
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Du hast Deine Kritik zu weit unten hingesetzt, daher sehe ich die erst jetzt. Nur als Info.
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@k&g: Sehr aufmerksam, danke. Ich habe die Kritik erst heute am späten Nachmittag ergänzt, vorher war da nichts, das ist der Grund. Tut mir leid, ich bin nicht rechtzeitig fertig geworden, diese Reihe erforderte mehr Aufwand als anfangs gedacht.
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@k&g: Rossis Gebäude ist wirklich sehr bemerkenswert, aber es ist in meinen Augen eher auffällig und verwegen als im engeren Sinn hässlich. Es hat natürlich die für den betonbasierten Brutalismus übliche Monstrosität und Kälte, was aber durch die erratische Gesamtform mehr als ausgeglichen wird.
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