
Klänge von Sinnah (Liqih 2016 ff.) und DarknessTheory (DSK 2008)
well-tuned nach La Monte Young
verarbeitet mit Cubase SE
und faltungsverhallt mit Medium Stairwell
Kompositionsnotiz
philosophisch
Dieser Track ist eine Hommage an das Dösen, dessen philosophische Relevanz zu selten thematisiert wird. Eine löbliche Ausnahme bildete mein philosophischer Lehrer Prof. Dr. G. Schulte, Uni Köln – der das Wort allerdings „Dääösen“ aussprach. Ich habe den Klang zwar noch genau im Ohr, er lässt sich orthographisch aber nicht abbilden.
Die Philosophen, denen ich mich am Nächsten fühle, also etwa Jankélévitch, Stirner, Wittgenstein, …, sind anti-philosophische Fragensteller bzw. „gescheiterte“ Künstler, nicht aber Antwortgeber wie Hegel, Lehmann, Luhmann, …
Letztere schätze ich zwar ebenso, aber ich fühle mich ihnen nicht so nah, denn sie sind Systembauer und dazu habe ich keine Lust, will sagen, ich kann mich zwar bis zu einem gewissen Grad in sie hineindenken, um ihre enormen Leistungen angemessen bewundern zu können, aber ich verspüre keinen Antrieb, sie nachzuahmen.
Keine Ahnung, ob Professor Schulte ein im konventionellen Sinn „guter“ Philosoph war, wohl eher nicht (hieß es), aber nur, soviel war mir stets klar, weil er das nicht wollte, das ganze Fach, die ganze Tradition, war ihm in höchstem Maße suspekt, obwohl oder gerade weil ihm die Unternehmung an sich extrem wichtig war und so heißt eines seiner bekannteren Bücher auch „Hauptsache Philosophie“.
Jedenfalls verdanke ich ihm nicht nur die Frage nach der philosophischen Relevanz des Däösens – seine Antwort erinnere ich nicht mehr –, sondern auch, noch wichtiger, die Frage nach der philosophischen Relevanz des „stundenlangen Klavierspielens, ohne aufhören zu können“. Auch hier erinnere ich mich an keine Antwort und ich weiß auch nicht, ob Schulte persönliche Erfahrungen mit stundenlangem Klavierspielen-ohne-aufhören-zu-können hatte. Es schien aber möglich zu sein.
Jedenfalls stand bei ihm zuhause ein Flügel und er forderte mich zum Improvisieren auf, als ich um 1990 herum zum Nachmittagskaffee bei ihm in der Emmastraße zu Köln eingeladen war und ihm unvorsichtigerweise erzählt hatte, ich improvisierte gerne auf dem Klavier. Aus Verklemmtheit lehnte ich seine Bitte damals ab – was ich heute bereue.
«dozing the day away and it’s great (ambient 19)» liefert eine eigene Antwort auf die Frage nach der Relevanz des Dääösens, aber es ist eine a-semantische, wortlose, musikalische – sprachlos, aber nicht sinnlos.
musikalisch-technisch
Die flötenähnlichen Klänge wurden ausschließlich mit dem freien Software-Synthesizer „Sinnah“ generiert, der nach meinem Wissen keine Samples verwendet (zumindest umfasst das Programm nur 942 KB, wo passen da Samples rein?). Eine ganz erstaunliche Leistung des Autors Liqih und des Nutzers SW, von dem das ursprüngliche Preset „Flute scrape“ stammt, dankeschön!
Der Drone (Basston) wurde mit Hilfe von DSKs Softsynth „DarknessTheory“ generiert, der, ob beabsichtigt oder nicht, so ziemlich alle Klischees heutiger Horrorfilmmusik zu reproduzieren vermag. Mich reizte die Idee, mit derart „belasteten“ Presets zu arbeiten, um aus ihnen etwas ästhetisch Reizvolleres zu machen, ohne dass ihre popkulturelle Herkunft komplett verschleiert wird (Ohne Klischees keine Ästhetik.).
Technischer Hinweis: Der Track enthält mehrere mehrsekündige Pausen.
Mich interessiert seit jeher die Frage, wieso man eine Dialektsprache orthographisch nicht sauber abbilden.kann. Diese besondere Aussprache deines Lehrers, ich kann sie mir vorstellen.
Ich kannte einen Ort Ticinallo in Italien. Wenn ich den in Italien in der Nähe aussprach, verstand man mich nicht. Ich konnte dann in etwa nachahmen, wie der Ort auszusprechen ist, aber das war und ist natürlich nur eine Annäherung.
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Schöner Track übrigens!
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@k&g: Natürlich kann man jegliche erdenkliche Lautfolge mithilfe des Internationalen Phonetischen Alphabets sauber abbilden. Macht fast jeder Wikipedia-Eintrag ganz am Anfang. „Session“ z. B. wird dann [zɛˈsi̯oːn] geschrieben.
Es gibt vermutlich nur wenige Chinesen, die „Margetshöchheim“ sagen können 🙂
Freut mich, dass dir der Track gefällt. Auch er ist im „Superkreativjahr“ 2019 entstanden. Es ist noch mehr in der Pipeline, das war einfach ein außergewöhnlich außergewöhnliches Jahr!
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Die Klangfärbig eines Worts kriegt aber auch eine solche Abbildung nicht hin.
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