«Tetraktys-Variation 3 (afrikanisch)», 2019

Die Pythagoreer bezeichneten die Gesamtheit der Zahlen 1, 2, 3 und 4, deren Summe 10 ergibt, als „Tetraktys“ und haben dies mit Zählsteinen, die in der Form eines gleichseitigen Dreiecks übereinander angeordnet wurden, veranschaulicht. Auch die Zahlenverhältnisse der musikalischen Intervalle Oktave (2:1), Quinte (3:2) und Quarte (4:3) sahen sie in dieser Form angemessen visualisiert. Laut Wikipedia war die Tetraktys für die antiken Philosophen nichts Geringeres als „der Schlüssel zum Verständnis der Weltharmonie.“ Oha. Grafik: Blogbetreiber.


Spektrogramm der Komposition, erstellt mit Sonic Visualiser

Klänge Oatmeal
Verarbeitung Cubase
Faltungshall Anchorage Tunnel

Kompositionsnotiz

Die Musik ist ebenso authentisch afrikanisch, wie Mozarts Türkischer Marsch authentisch türkisch ist. Im Standard MIDI File von «Tetraktys-Variation 1 (reichianisch)» wurden alle Controller (Spielanweisungen) entfernt und die bisher stets gleichbleibende Anschlagsdynamik in zwei Stufen differenziert: Zunächst zeichnete ich in jedem der drei MIDI-Clips (Stimmen) der Komposition über die gesamte Dauer der jeweiligen Stimme eine Sinuskurve für die Dynamikwerte ein. Anschließend wurden diese velocities zusätzlich noch leicht randomisiert. Das Ergebnis sah dann so aus:

Ausschnitt der leicht randomisierten Sinuskurve für die Anschlagsdynamik einer Softsynth-Stimme in «Tetraktys-Variation 3 (afrikanisch)». Screenshot aus Cubase SE.

Das derartig modifizierte SMF wurde anschließend zur Partitur der Komposition erklärt.

Als Klangquelle diente mir der in Fachkreisen aufgrund seiner Komplexität bereits legendäre Softsynth „Oatmeal“ von Jakob Katz aka fuzzpilz (sic!) aus dem Jahr 2005, der nicht nur „Haferbrei“ heißt, sondern auch so ausieht:

Die Benutzeroberfläche von fuzzpilzens Haferbrei-Synthesizer sucht ihresgleichen.
Ein Kunstwerk. I love it.

Jeder der drei Stimmen wurde zunächst eine unabhängige Haferbrei-Instanz zugeordnet. Anschließend diente mir das Preset „SEQ Rythm Flow_m“ (orthographischer Fehler im Original) aus der Sammlung „Oatmeal-bkjf1-vf“ als Ausgangspunkt für die drei zu schreibenden Presets. Im Laufe des Kompositionsprozesses entwickelten sich diese deutlich auseinander, was erlaubt und gewollt war. Die basalen Wellenformen (siehe „oscs“-Block links oben auf dem Screenshot) sollten allerdings erhalten bleiben, um Beliebigkeit – das ästhetische Hauptproblem bei dieser Art, zu Komponieren! – zu vermeiden. So erklingt das Preset für die erste Oatmeal-Instanz bsp.weise 2 Oktaven tiefer als die beiden anderen, fungiert also als „Bass“.

Controller-Bewegungen, wie sie alle bisherigen Kompositionen dieser Reihe dominierten, habe ich mir hier untersagt. Das Schneiden und Umgruppieren der Clips, also „Komponieren“ im Wortsinn, war allerdings erlaubt. Aufgabe war es stattdessen, für jede der drei Stimmen ein so mächtiges Preset zu schreiben, dass während der knappen Viertelstunde, die das Stück dauern sollte, keine Langeweile aufkommt. Eine harte, aber lohnende challenge, denn so lernte ich die teilweise exzentrischen Parameter-Verknüpfungsmöglichkeiten des Haferbrei-Synths so richtig kennen und schätzen. Kompliment an fuzzpilz.

Die Arbeit an dieser Komposition war besonders quälend 1 . Damit will ich nicht sagen, dass ich mit dem Ergebnis nicht zufrieden bin.


 

1 D. h. bei mir immer: vernichtende Selbstkritik bis hin zum zeitweisen Verwerfen und Verwünschen der ganzen Arbeit inkl. „illusionslosem“ Infragestellen irgendeines kompositorischen Talents, dann – stets, nachdem einige Zeit ins Land gegangen ist – teilweise Rehabilitierung der Arbeit, oft unter gravierenden Änderungen. Das Stück steht wieder auf wie Phoenix aus der Asche. Dieser Prozess hat sich hier sogar ca. zweimal wiederholt.
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4 Kommentare zu „«Tetraktys-Variation 3 (afrikanisch)», 2019

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