Bis heute existiert keine einheitliche Schreibweise für die Genre-Bezeichnung „Drum and Bass“. Ich fand ebenso oft „Drum and bass“ bzw. „Drum and Bass“ wie „Drum & Bass“, „Drum + Bass“ und „Drum ’n’ Bass“ (Letztere Variante ist ganz offenbar an „Rock ’n’ Roll“ angelehnt) sowie die entspr. Abkürzungen „DnB“, „D&B“, „D+B“ und „D’n’B“. Rund 30 Jahre nach Entstehung einer Musikrichtung ist das m. E. eine ganz erstaunliche Tatsache.
Drum and Bass-AkteurInnen geben sich, unabhängig davon, wie alt sie sind, welcher sozialen Schicht sie entstammen oder welcher ethnischen Herkunft sie sind, gerne generisch bis nichtsagend klingende Pseudonyme wie etwa „Trace“, „Kid Andy“, „Seba“, „Chaos“, „Ink“, „Nico“, „J Majik“, „Kemal“ oder „Matrix“, die wohl nach „der Straßenjunge von nebenan“ klingen sollen. Die gleichzeitige, willkürliche Verwendung mehrerer Pseudonyme ist nicht selten. Die bürgerliche Person Andreas Lysandrou bsp.weise publizierte sowohl unter „Baraka“ als auch unter „Kid Andy“ und „Ministers Of Dance“.
Drum and Bass-PerformerInnen kommunizieren mit der Welt da draußen über szene-intern angekündigte events in sorgfältig ausgewählten, d. h. szene-relevanten clubs – in denen aber ansonsten nach meinem Kenntnisstand kaum bzw. nie Drum and Bass gespielt wird, weil man zu diesem (siehe Teil 1 dieser Artikelreihe) ja nicht tanzen kann. Ihre dort abgespielten und in Echtzeit manipulierten Tonträger lassen sie vorher in Kleinstauflage als Aluminium-Acetat-Schallplatten, genannt dubplates, pressen. Aluminium-Acetat-Tonträger klingen zunächst hervorragend, nutzen sich aber stark ab, eignen sich also weder als langfristiges Speichermedium noch zum betriebswirtschaftlich sinnvollen Verkauf. Dubplates werden nach der Pressung lediglich mit einem leeren weißen Cover versehen, um nachträglich je nach Bedarf mit Filzstift markiert werden zu können.1
Nachträglich beschriftetes Dubplate
Alles, was ich an Drum and Bass kenne, wurde von Fans dieses Genres von mehr oder minder knurpsenden, knarzenden, knisternden bzw. knuspernden dubplates runter digital aufgenommen und anschließend als Video auf YouTube hochgeladen. Als Standbild dient dabei das Cover, auch wenn das nur ein weißer Kreis ist. Forscht man bei Discogs nach, was es mit einem bestimmten Track auf sich hat, bekommt man i. d. R. den Hinweis auf das entsprechende, natürlich bei keinem Label verlegte dubplate mit dem Hinweis „sold out“ bzw. einem Mondpreis für ein übriggebliebenes Exemplar, das irgendein privater Sammler anbietet. Wäre Discogs nicht so liebenswürdig, die o. g. YouTube-Standbild-Videos eines Tracks zu verlinken, mensch hätte Mühe, bestimmte Tracks überhaupt jemals zu Gehör zu bekommen, denn selbst bei den großen spezialisierten Online-Verkäufern von Clubmusik wie Beatport oder Juno waren einige bereits zwei Jahrzehnte alte Klassiker des Genres nicht aufzufinden. Von Amazon, Spotify, iTunes etc. fange ich lieber erst gar nicht an.
- Diese Darstellung ist zugespitzt, d. h. es ist eher selten, dass alle diese beschriebenen Phänomene auf einen Drum and Bass-Track zutreffen. Viele erscheinen mit mehr oder minder konventionellen Covern auf mehr oder minder konventionellen Labels in mehr oder minder hoher Auflage. ↩