Karl hat für eine vorzügliche Videodokumentation unseres Events vom vergangenen 2. März gesorgt, die jetzt in ein 15minütiges YouTube-Video gegossen wurde:
Schlagwort: Karl F. Gerber
«Der mysteriöse Violinautomat» (Soundscape 26), 2018
Basismaterial Mitschnitt einer Improvisation von Karl F. Gerber (Violinautomat) und mir (Klavier) im Rahmen des RoboterJazz-Events im Einstein München 2018-03-02
Audio-Editor DarkAudacity
Effect Chimes Delay (David R. Sky + Steven Jones)
Faltungshall San Diego Racquetball Court (EchoThief)
Kompositionsnotiz

Zunächst wurde die gesamte ca. neuneinhalbminütige Improv dem Chimes Delay-Algorithmus zum Fraß vorgeworfen. Dieser produzierte 37 Minuten Audio-Output, den ich mehrfach sorgfältig auf die musikalisch interessanteste Passage hin durchhörte. Gefunden, wurde diese anschließend mit dem wunderbaren Faltungshall einer Racquetball-Halle in San Diego versehen und es wurde reichlich ein- und ausgeblendet. Auf den beiden Raum-Mikros, die Karls Violinautomaten aufgezeichnet haben, ist natürlich auch ein wenig Klavier zu hören, was die tiefen Drone-Töne ganz rechts gegen Ende erklärt.
Fotos vom RoboterJazz-Event in München

roboterjazz.de
Karl F. Gerber: „Antriebe“ für experimentellen Violinautomat (2017)
Ein sprödes Werk für ein allerdings im wahrsten Sinne des Wortes fantastisches, selbstentwickeltes Instrument, das einen ePlayer im Gerber’schen Sinn darstellt:
Am 2. März des kommenden Jahres werde ich mit Karl und Christoph Reiserer unter dem Motto „Musik & Robotik“ im Münchner Einstein zu hören und zu sehen sein, herzliche Einladung schon jetzt!
Karl F. Gerber: „Key Switch“ for MIDI keyboard (2017)
Neue ePlayer-Komposition von meinem geschätzten Münchner Kollegen. Anspieltipp: der 2. Satz (?) ab ca. 4’15“, eine schöne (post-)minimalistische Textur:
Wenn ich das richtig sehe -bitte korrigiere mich, Karl- , handelt es sich technisch um ein MIDI-Keyboard, das Klavier-Samples antriggert, die in Echtzeit mithilfe von fünf Pedalen modifiziert werden können.
Anmerkung: Die Bezeichnungen „for MIDI keyboard“ und „ePlayer-Komposition“ stammen nicht vom Komponisten, die habe ich mir einfallen lassen.
Probleme gehaltsästhetischen Komponierens
Mein gehaltsästhetisch gewendeter Munich Remix von Karl F. Gerbers algorithmischer Komposition „Giesing Township“ wurde vor Kurzem hier auf der Weltsicht publiziert. Jetzt hat mich Karl vor eine ungleich schwierigere Aufgabe gestellt: Wie ließen sich wohl die Maßkrugsymbole* auf untenstehendem Ausschnitt eines Aushangs der Münchner U-Bahn angemessen sonifizieren?
Es zeigt sich: Lässt man sich erst mal ernsthaft auf außermusikalische Gehalte im kunstmusikalischen Komponieren ein, steht man sofort vor echten kreativen Herausforderungen. Und das ist jetzt nur halb als Scherz gemeint.
«Giesing Township Morph (Gerber)» for Player Piano, 2017 (ePlayer-Realisierung)
Basiskomposition Giesing Township (Karl F. Gerber)
Kompositionssoftware Microsoft Excel (unter Verwendung von Daten der Website 360.here.com)
Soundfont Bösendorfer Imperial (VSL)
Sample Player Vienna Instruments (VSL)
Faltungshall Schellingwoude Kerk Amsterdam (F. van Saane)
Kompositionsnotiz
Karls algorithmische Komposition „Giesing Township“ hat mich nicht losgelassen und ich fragte mich, wie ich diesem Stück gehaltsästhetische Bedeutung einhauchen könnte.
Nach dem üblichen quälenden Hin & Her hatte ich schließlich ein brauchbares Konzept gefunden. Warum nicht das Stück, wie es ist, mit permanent schwankender Geschwindigkeit abspielen? Und zwar nach dieser Struktur:

Im Sequenzer übertrug ich die km/h-Werte aus diesem Diagramm so genau wie möglich auf die Tempospur des Standard MIDI Files von Karl Komposition:

Damit war die gehaltsästhetische Wende vollzogen 😉 Witzigerweise ließen sich die Werte hier sogar 1:1 übertragen, d. h. aus 90 km/h wurden 90 bpm, aus 120 km/h 120 bpm etc.
Bei der Prüfung des musikalischen Ergebnisses stellte sich jedoch heraus, dass die Temposchwankungen – sie bewegten sich, wie an der Grafik abzulesen ist, zwischen 84 und 102 bpm – keine sonderliche Prägnanz hatten. Sie waren zwar für das geübte Ohr gut wahrnehmbar, aber ich wollte ja gehaltsästhetisch sein, und das hieß in diesem Fall, auch für Nicht-SpezialistInnen klar erkennbare musikalische Signale zu senden.
Es ging also darum, die Schwankungsbreite deutlich zu erhöhen, ohne dabei allerdings die interne Kurvenstruktur (die ja den typischen Tagesverlauf abbildet) zu verändern. Ein befreundeter Jazzmusiker und Informatiker half mir bei der mathematischen Umsetzung dieser Idee. Schließlich landete ich bei Werten zwischen 20 – 150 bpm:
Dieses Excel-Spreadsheet ist übrigens interaktiv, d. h. man kann mit ihm rechnen 🙂 Tragt doch z. B. mal bei „Min“ oder „Max“ (rote Zahlen) andere Werte ein…
Mithilfe dieser Formel lassen sich natürlich auch beliebige andere Verkehrsprofile verarbeiten, z. B. dieses von New York City:

Die Dramaturgie meiner Re-Komposition hatte sich nun deutlich verbessert, ohne dass der Groove-Charakter von Karls Original komplett auf der Strecke blieb.
Als Soundfont wählte ich die (nur kommerziell erhältlichen) Samples eines „Bösendorfer Imperial“ von VSL. Der Imperial klingt – wie alle(?) Bösendorfer-Flügel – auch bei mittelstarkem Tastenanschlag noch sehr hell und transparent, also „modern“ – und das schien mir hier die angemessene klangliche Umsetzung zu sein. Als winzige, aber prägnante Reverenz an den erweiterten Tastaturumfang dieses bemerkenswerten Instruments habe ich den letzten Ton der Basiskomposition nach unten oktavverdoppelt.
Zu guter Letzt holte ich die Publikationserlaubnis von Karl ein (Danke!) und stelle den fertigen Remix hiermit ins Netz.
Das Projekt schreit natürlich nach einer Visualisierung, und auch darum habe ich mich bemüht, bin aber rasch an die Grenzen meines mathematischen Know-hows gestoßen. Hat jemand Lust, sich mit diesem Problem auseinanderzusetzen? Im Prinzip ginge es zunächst einmal „nur“ darum, das Verkehrsdiagramm parallel zur Musik abzutasten.