Da ich seine Büchnerpreisrede 2015 nicht finden konnte, hier dafür eine andere, ebenso brillante wie unterhaltsame Perfomance des Meisters aus dem Jahr 2012 (Beginn bei ca 11:00, vorher gibt’s ne Einführung, die ich mir aber nicht angesehen habe). Viel Vergnügen!
Die Rede ist voller Formulierungen von funkelnder Schönheit, hier mal eine als Teaser (40:12):
Vorsicht! Das Sprachgefühl ist sehr verletztlich. Es gehört der der Rationalität allerfernsten Sphäre des Musikalischen der Sprache an. Auch eine noch so scharfe Intellektualität kriegt alle Dimensionen dieses Gefühls in allen entscheidenden Feinheiten definitiv nicht unter die Kontrolle ihrer explikativen Verbalität.
Oder bei 41:40:
Am schlechten Text den Scharfsinn des Nachweises zu üben, was daran schlecht ist, ist eine Leben und Geist zerstörende Neutronenbombe im Gehirn all derer, die sich daran beteiligen.
P.S.: Bin mir mittlerweile ziemlich sicher, dass Goetz vom Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom betroffen ist, also die bizarr anmutende Zurschaustellung seiner fahrigen Körpersprache nichts mit showmanship zu tun hat: Er kann einfach nicht anders. Da Goetz gelernter Psychiater ist, ist ihm dies sicherlich seit jeher bekannt. Er hat aber nach meinem Kenntnisstand nie explizit öffentlich darüber gesprochen. „Eingeweihte“ finden dennoch gerade in dieser Rede genügend psychiatrische Fachbegriffe zum Thema, von der eindringlichen Beschreibung einer vergeblichen Konzentrationsanstrengung bis zur „anschließenden Hyperfokussierung“.
P.P.S.: Klar ist, warum er nicht drüber spricht (im Gegensatz z. B. zu Stuckrad-Barre): Goetz möchte nicht als „ADHS-Schriftsteller“ gelten (evtl. sogar mit „Behindertenbonus“). So, wie er gestrickt ist, dürfte ihn dieser Gedanke komplett ankotzen.
P.P.P.S.: Vielleicht mag ich Goetz als Person deshalb so, weil er ein ausgesprochen intellektueller Schriftsteller ist, bei dem die Intellektualität aber nichts Aufgesetztes, Angeberisches hat, sondern als elementares Bedürfnis eines Individuums Ausdruck findet. Und dies empfinde ich als etwas enorm Aufbauendes, ja Tröstendes.