«Sonate 2013» für Klavier (ePlayer-Realisierung)

I „douloureux…déchirant“
II „vague…belliqueux“
III „fier…indécis“

MIDI-Editoren MidiEditor (M. Schwenk), MIDIPLEX (Stas’M), Sekaiju (kuzu), Cubase
Sample-Bibliothek Yamaha CF III-Konzertflügel (Mats Helgesson)
Sample-Renderer SynthFont2 (K. Rundt)
Faltungshall [Software] Saitenresonanz eines Klaviers, ORTF-Studiohall (Urheber jeweils unbek.) [FreeverbVST3_Impulser2]

Kompositionsnotiz

Irgendwann in den vergangenen 12 Monaten improvisierte ich Musik auf meinem MIDI-Keyboard, die eigentlich für die Reihe PianoLogs gedacht war. Leider hatte ich vergessen, den Tag der MIDI-Datenaufzeichnung zu protokollieren. Ich beschloss deshalb, die Musik zu einer Klaviersonate zu collagieren: Drei Sätze mussten her, zwei rasche Ecksätze und ein langsamerer zweiter Satz. Nun, das Material fügte sich halbwegs, da und dort half ich nach (v. a. durch Kürzungen im Finale). Weiterhin unterzog ich das MIDI-Material den üblichen Glättungsprozessen (Anschlag, Rhythmik), logisch fehlende Töne wurden ergänzt, offensichtliche Spielfehler ausgemerzt.

In den letzten Jahren gab ich meinen Arbeiten keine oder nur „neutrale“ Titel (meist Datumsangaben), um die Einbildungskraft des/der HörerIn möglichst wenig zu beeinflussen und keine mentalen Bilder vorzuprägen. Nicht so hier. Ich entlehnte Alexander Skrjabins Préludes op. 74, seiner letzten Komposition aus dem Jahr 1914, einige ausdrucksstarke Adjektive. So trägt nun der Kopfsatz die Vortragsbezeichung „schmerzerfüllt…herzzerreißend“, der zweite Satz sollte „schemenhaft…kriegslustig“ und das Finale „stolz…schwankend“ interpretiert werden (sollten eines Tages einmal Noten vorliegen – bis dahin muss meine eigene, äh, Interpretation ausreichen).

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9 Kommentare zu „«Sonate 2013» für Klavier (ePlayer-Realisierung)

  1. @Stefan: Freut mich, dass du hier wieder mal neues, selbst erschaffenes Kompositionsmaterial veröffentlichst. Irgendwie hatte dein geschriebener Outpout in den letzten Monaten ja etwas Überhand gewonnen. Was ja nicht schlimm ist, aber du darfst nicht aus der Übung kommen, solltest weiterhin nicht nur improvisieren, sondern auch komponieren, sonst kommst du aus der Übung.

    Eine kleine kritische Anmerkung habe ich noch:
    Ich komme persönlich nicht mit der kalten Art der Präsentation zurecht. Gottseidank hast du einen kleinen, allerdings ziemlich auf Information reduzierten Kommentar dazu geschrieben. Mir fehlt trotzdem ein Foto, ein Bild, Artwork, eine Verpackung, irgendwas zum anfassen, assoziieren, connecten. Dieser cleane, digitale Sample-Sound aus der Dose, der niemals frische Luft geatmet hat, hilft da leider auch nicht weiter. Es (der Sound, nicht die Komposition) klingt so unsexy, kühl und nüchtern und lässt mich deswegen merkwürdig unbewegt. Ich komme gar nicht richtig dazu die Komposition zu hören, weil mich die unlebendige, virtuelle Art der Darbietung so abturnt.

    Konstruktiver Vorschlag: Warum arbeitest du nicht mehr mit einfachen, wirklich selbst mit Mikro aufgenommenen Instrumenten. Das hätte selbstverständlich wesentlich mehr Ambiente, Individualität und Originalität. Ich weiß, digitale Revolution und so, aber du kannst ja ruhig digital Aufnehmen und Nachbearbeiten, nur bitte keine abgefuckten Raum- und Sample-Sounds mehr, die klingen so verdammt tot.
    Und dazu vielleicht ein paar Fotos, Liner Notes, eine anregende Geschichte, Verpackung, Zusammenarbeiten, Verbindungen, Assoziationsmöglichkeiten etc. Sollte doch für dich kein Problem sein als leidenschaftlicher Textschreiber und Knipser.

    Und: Dein kreativer, musikalischer Output hätte es echt verdient, dass er geil klingt und inspiriert präsentiert wird. Ach ja: Und die Zuhörer auch.

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    1. @Dennis: Danke für’s ausführliche Feedback. Tja, die Realisierung meiner Musik ist nun mal, wie sie ist. Letztlich lässt sich über sowas schlecht streiten. Ich finde, bsp.weise, die Realisierung von Conlon Nancarrows Musik auf seinen eigenen Proto-MIDI-Automaten (sprich: Player Pianos) fantastisch – seine Musik verliert für mich aber deutlich, wenn sie, entsprechend arrangiert, konventionell aufgeführt wird. Andere empfinden das evtl. exakt umgekehrt – erst, wenn Nancarrows Kompositionen von Musikern interpretiert werden, werden sie Musik etc.

      Vielleicht tröstet dich ja die Tatsache, dass ich, der durch und durch menschliche Schöpfer dieser Musik, weder abgefuckt noch tot bin – bis eben zumindest 😉

      Und: Visualisierungen meiner Musik gibt’s hier. Aber ich fürchte – doch sieh selbst…

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  2. @Stefan: Gerade als Keyboarder merkt man oftmals nicht mehr wie tot Midi/Sample-Sounds klingen, weil man ständig damit zu tun hat und sich irgendwann daran gewöhnt. Vielleicht übersetzt du ja in deinem Kopf den sterilen Klang durch einen imaginierten Wohlklang, ich kenne das Phänomen.

    Aber lass dir von einem Freund und Sympathisanten sagen: In diesem konkreten Fall geht es nicht um eine Geschmacksfrage, es klingt einfach nicht gut, es überzeugt klanglich nicht.

    Das könnte ein Grund dafür sein, dass diese und andere Präsentationen so wenige Menschen anspricht. Komponieren alleine reicht halt nicht, man muss schon auch noch interpretieren, aufnehmen, produzieren, abmischen, gestalten, veröffentlichen, dann bekannt machen, vermitteln, erklären, an den Mann/auf die Bühne bringen, verkaufen (ich weiß: in deinen Kreisen ein ganz schlimmes Motiv) usw. um andere zu erreichen.

    Du machst stattdessen die Not zur Tugend, indem du sagst, dass du willst, dass es so klingt. Ich kann das nicht glauben. Argument: Du könntest auch einen einfachen Sinuston nehmen, nimmst aber einen Piano-Sound? Warum?

    Mir kommt das vor wie ein vegetarisches Schnitzel. Ist nix Halbes und nix Ganzes.

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    1. @Dennis: Deine Argumente sind mir wohlbekannt und, wie gesagt, ab einem bestimmten Punkt lässt sich über Sound-Fragen einfach gar nicht mehr streiten – und der ist hier meiner Meinung nach erreicht.

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  3. @Stefan: Aha, alles schon bekannt also, dann ist ja gut. Darüber das Midi-getriggerte Retorten-Sampels langweilig und fade klingen lässt sich wirklich nicht streiten. Da sind wir uns dann wohl einig.

    Dir und deinem Genre fehlt wirklich das unvoreingenommene Gegenüber bzw. eine Zuhörerschaft. Und wenn’s dann mal einen gibt, der sich das anhört, wird er bei der geringsten begründeten Kritik stehen gelassen und als Uneingeweihter aussortiert. Hab ich jetzt schon mehrfach erleben dürfen. Kapier ich nicht.

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    1. @Dennis: Moment, bis jetzt hast du ja noch keinen Piep zur Komposition gesagt, weil dich, so habe ich das verstanden, allein die Realisierung so anwidert, dass es dir unmöglich ist, dich der Musik zuzuwenden. Das tut mir leid, ist aber wohl nicht zu ändern.

      Wäre denn wirklich alles anders, würde ich dir dieselbe Musik Note für Note persönlich auf einem konventionellen Klavier vorspielen?

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  4. @Stefan: Es ist für mich schwierig mich über die Architektur, die Beschaffenheit, das Aussehen, die Funktionalität eines Hauses zu äußern, wenn ich nur den Bauplan bzw. ein kleines Modell aus provisorischen Materialien zur Verfügung gestellt bekomme.

    Wenn die Datensätze allerdings das definitive musikalische Endprodukt darstellen sollen, kann ich mich auch nur wiederholen: Konzeption eventuell gut, aber schwer zu beurteilen, weil die Umsetzung vollkommen lieb- und leblos daherkommt. Wäre somit also eine ziemliche Enttäuschung. Immerhin bilde ich mir aber ein, eine vergebene Chance durchzuhören.

    Falls dein Angebot ernst gemeint ist: Würde es gerne live am Klavier hören? Wäre das denn möglich? Hatte bisher den Eindruck, dass es Teil des Konzeptes ist, dass dein Werk entkörpert daher kommt (kein fassbares Instrumentarium, kein Artwork, kein Tonträger, kein Produkt etc.) und deswegen nicht reproduziert werden kann/soll (Improansatz, digitale Nachbearbeitung, keine Noten, keine Aufführung, etc.).

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    1. @Dennis: Hmm: „vollkommen lieb- und leblos“? Die Klaviersamples (Vienna Bösendorfer Imperial) kommen für mein Empfinden dem Klang eines Klaviers recht nahe.

      Natürlich könnte ich die Sonate nicht „einfach so“ auf einem Klavier reproduzieren, ich müsste sie üben, außerdem hätte ich vorher aus den MIDI-Daten eine halbwegs hilfreiche Partitur zu erstellen. Da hast du jetzt leider schlechte Karten 😦 Es ist mir nämlich nicht möglich, längere Passagen einer Improvisation wortwörtlich im Kopf zu behalten und exakt zu reproduzieren – also bin ich gezwungen, sie aufzuzeichnen. Und da ist natürlich MIDI besser als Audio, weil MIDI schon die halbe Strecke zur Partitur ist und außerdem unabhängig von irgendeiner Sampling-Technologie. Außerdem lassen sich diese Daten im Gegensatz zu Audio vollkommen verlustfrei nachbearbeiten.

      Schönberg hat ja mal sinngemäß gesagt, Komposition sei nichts anderes als verlangsamte Improvisation. 100 Jahre später fällt diese Bremse weg und die MIDI-Schnittstelle erlaubt mir, in Echtzeit zu komponieren. Ich behaupte damit selbstverständlich nicht, „weiter“ als Schönberg zu sein – ich nutze lediglich eine Technologie, die ihm nicht zur Verfügung stehen konnte. Aber ist das nicht legitim? Und spannend? Und zeitgemäß? Gar experimentell?

      Das „Experimentelle“ besteht darin, dass ich mich nach der Echtzeitimprovisation meinem eigenen Material gegenüber frei verhalten kann, d. h., ich kann es löschen, um-arrangieren, permutieren etc. Im Unterschied zum Jazz und zur Improvisierten Musik stellt die Echtzeitimpro in meinem Musik-Konzept eben gerade kein Allerheiligstes dar, dessen Authentizität um jeden Preis bewahrt werden muss und das um Gottes Willen nicht editiert werden darf. Es ist aber auch kein beliebig generiertes Zufallsmaterial, sondern eine Art Halbzeug oder Rohdiamant, dessen ästhetisches Potential noch des einen oder anderen Schliffs bedarf. Hier gibt es nach meiner Erfahrung kein allgemeingültiges Maß, ich gehe oft vollkommen intuitiv vor, manchmal aber auch konzeptuell.

      Systemtheoretisch gesprochen ist dieser Bearbeitungsschritt eine echte Beobachtung 2. Ordnung, möchte man denn eine musikalische Echtzeitimprovisation als Beobachtung 1. Ordnung verstehen. Und hier versteckt sich auch das utopische Potential meiner Arbeit: Der sich selbst beobachtende Beobachter, d. h. hier, der Musiker, der sich selbst beim Improvisieren über die Schulter schaut und seinen „automatischen“ Output hernach kritisch analysiert, ggf. atomisiert und re-synthetisiert (all das kann ja „Komponieren“ auch sein), müsste eigentlich – in seinen glücklichsten Momenten – in der Lage sein, dem aufgeschlossenen Hörer idealerweise ein Artefakt mit heuristischen Qualitäten zu präsentieren, d. h., Musik, die nicht nur schön ist, sondern etwas über das Entstehen von Schönheit mitteilt. Ich behaupte ja nicht, dass mir dies gelingt – aber versuchen darf ich’s, oder?

      Nun kannst du natürlich einwenden, eine Improvisation könne schon aus prinzipiellen Gründen niemals die ästhetische Qualität einer Komposition erreichen – etwa, weil eine flüchtig hingeworfene Bleistiftkizze ja auch nicht dem sorgfältig ausgemalten Ölbild gleichkommt – aber exakt da zeigen mir meine Hör-Erfahrungen aus der Improvisierten Musik (Lennie Tristano, Cecil Taylor), dass dies nicht so sein muss: Mitunter gelingt tatsächlich Improvisierte Musik, die ästhetisch mit den Spitzenwerken der Komponierten (Neuen) Musik auf einer Stufe steht. Wer, aus welchen Gründen auch immer, der Meinung ist, dies sei schlichtweg Blödsinn, d. h., selbst Taylors gelungenste Passagen könnten einer Stockhausen-Komposition deswegen noch lange nicht das Wasser reichen (und ich fürchte, dies stellt bis heute den common sense unter studierten Neue-Musik-Komponisten dar), dem muss dieser ganze Ansatz natürlich verfehlt erscheinen. Aber damit kann ich leben, man kann’s halt nicht jedem recht machen.

      Und, nein, meine ePlayer-Kompositionen sind keine „entkörperlichte“ Elektroakustik, sondern prinzipiell aufführbare Kompositionen. Das Instrumentarium ist jeweils klar definiert.

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  5. @Stefan: Danke für deine Ausführung. Es ist aufschlussreich etwas über deinen Ansatz zu erfahren, auch wenn es sicher nicht immer leicht ist sich selbst zu erklären. Liegt evtl. schon zu nah an der Rechtfertigung.

    Vielleicht ist es nicht richtig rüber gekommen: Ich habe überhaupt nichts gegen die Art und Weise wie du oder andere ihre Kompositionen erarbeiten (wie könnte ich). Aber wir reden am Ende immer noch über Musik und da beurteile ich als Hörer nicht das Konzept, die Arbeitsweise, die Partitur oder sonstwas, sondern einzig und allein das klangliche Endergebnis. Und es ist einfach unvorteilhaft, wenn dieser essentielle und delikate Teil der Arbeit aus Retorten-Samples in bestenfalls künstlichen Räumen besteht. Da entfällt einfach die individuelle und originäre Klang-, Sound- und Raumgestaltung. Der Klang deines Pianos ist (altmodische) Stangenware, jeder kann diesen Klang kaufen und verwenden. Ich höre das, wenn ich deine Musik laufen lasse, dadurch wird mein Hörerlebnis beeinträchtigt, ich verliere, ob ich es will oder nicht, das Interesse. Und es langweilt mich bereits im Ansatz, weil auf der klanglichen Ebene keine Überraschungen zu erwarten sein werden. Die Midi-gesteurten Elemente Rhythmus, Tonhöhe, Lautstärke sind für mich für sich genommen noch keine Musik. Vielleicht erklärt das meine Vehemenz in meinen Kommentaren.

    Deinen kompositorischen Ansatz finde ich übrigens sehr interessant, obgleich er im popmusikalischen Bereich seit den späten 1980er Jahren die gängige Praxis darstellt, also sooo neuartig nun nicht ist. Ich habe nur auch keine Lösung für die musikalische Umsetzung deiner Werke. Es wäre sicher gut, wenn du Notenauszüge erstellst und sie selbst oder noch besser von anderen Instrumentalisten an echten Instrumenten einspielen lassen würdest. Das mündet letzten Endes sicher in eine Budgetfrage. Aber entspräche es nicht der Wahrheit, dass diese traditionelle Art der Umsetzung für dich und die Zuhörer idealer wäre und die momentane Midi-gesteuerte Art ein Provisorium aus Budgetgründen ist? Du könntest dann „Komponist“ sein, hättest einen „Interpreten“, einen „Aufnahmeleiter“ etc., wäre das nicht auch für dich entspannter und zugleich im Ergebnis spannender?

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