Donaueschingen auf AI – aber leider ohne mich :-(

Mit der folgenden Aufnahme und einem Standard MIDI File der Komposition antwortete ich auf einen Call for Piano Music der Donaueschinger Musiktage, der erstmalig von einer eigens konzipierten Künstlichen Intelligenz, dem curAItor von Nick Collins, kuratiert wurde:

Am 23. Juli ging mir diese Analyse des curAItors inkl. eines freundlichen Dankesschreibens des „Donaueschingen Teams“ zu:

Score based on a corpus model's prediction of your piece, in comparison to previous concert pieces (higher is better, 0 to 1): 0.48801252348274
Score based on proximity to a corpus and avoidance of an anticorpus (higher is better, 0 to 1): 0.7026725360496
Combined final score: 0.59534252976617
Final ranking (out of 97, ranking hidden if out of top 50): >50

Breakdown by individual audio features:
Loudness:  5.5346552351223  versus reference value on corpus:  5.2232684801942
Sensory Dissonance:  4.692594439056  versus reference value on corpus:  4.5037298522905
Bass Energy:  5.3462620477312  versus reference value on corpus:  5.3025771911455
Mid Range Energy:  5.5850956411719  versus reference value on corpus:  5.2259321343936
High Frequency Energy:  5.5245241634743  versus reference value on corpus:  4.9222018875124
Harmonic Energy:  5.5040426003768  versus reference value on corpus:  5.2830766894793
Percussive Energy:  5.2509538924743  versus reference value on corpus:  5.3410536707862
Tonal Root:  5.3842366804151  versus reference value on corpus:  5.1884044160175
Tonal Mode:  3.7466802932466  versus reference value on corpus:  3.6490005699024
Key Clarity:  5.5564387294373  versus reference value on corpus:  5.5196535155713
Density of Onsets:  3.9153920106925  versus reference value on corpus:  2.9400751912191
Mean Inter-Onset Intervals:  4.527680502488  versus reference value on corpus:  3.4991224039002
Standard Deviation of Inter-Onset Intervals:  3.9641032799717  versus reference value on corpus:  2.907427133889
Beat Histogram Entropy:  1.5237079556482  versus reference value on corpus:  4.9871679891972
Beat Histogram 1st to 2nd Ratio:  5.0052519324022  versus reference value on corpus:  5.519946147904
Beat Histogram Diversity:  1.4394362949168  versus reference value on corpus:  5.027475842776
Beat Histogram Metricity:  4.6642308265936  versus reference value on corpus:  5.2292435026894

Moderne Zeiten!

Schwach nur, dass der Künstlerische Leiter Björn Gottstein nicht in der Lage zu sein scheint (?), Fragen zum curAItor per Facebook zu beantworten – trotz prominentem Support (u. a. Karlheinz Essl!) meiner Anfrage:

Auch 3 Wochen nach meiner dreimaligen höflichen Anfrage keine Reaktion des Künstlerischen Leiters.

Bemerkenswert dagegen, dass meine Komposition auch ohne mitgelieferte Partitur (sie existiert bis heute nicht) überhaupt teilnehmen durfte. Die Audio-Aufnahme und das Standard MIDI File (SMF) genügten offenbar. Harry Lehmanns Erkenntnis, Leitmedium der Komposition im digitalen Zeitalter seien nicht mehr Noten, sondern Samples, scheint sich also ganz allmählich durchzusetzen.

Genaugenommen enthält ein SMF natürlich keine Samples, sondern Befehle wie Note On, Note Off etc., aber diese machen nur Sinn, wenn damit Samples oder MIDIfizierte traditionelle Instrumente angetriggert werden, z. B. eben ein Selbstspielklavier. In diesem Sinn ist das bereits 1983 standardisierte MIDI-Protokoll eine historische Verbindung zwischen Partitur und „nativem“ Komponieren mit Samples.

Wen’s interessiert: Das 59 KB große eingesandte SMF ist hier => SMF

Antifragile Archivierung von ePlayer-Kompositionen

Verschmorte Festplatte
Hintergrund

Sind alle relevanten Dateien eines ePlayer-Stücks lediglich lokal abgespeichert, droht Totalverlust jahrelanger harter Arbeit, wenn der heimische Rechner oder eine externe Festplatte plötzlich den Geist aufgeben. Letzters ist mir erst kürzlich passiert – allerdings zufälligerweise ohne gravierende Folgen. Also muss ein robustes, wenn nicht gar antifragiles Archivierungskonzept her. Hier ist das meine:

Basics

Folgende Dateiarten sind relevant:

  1. Die Partitur der Komposition in Form eines Standard MIDI Files *.mid
  2. Die Instrumentation der Komposition in Form von Samplebibliothek-Konfigurationsdateien *.viframe, *.matrix, *.fxp
  3. Sequencer-Projektdateien *.cpr
  4. Kompositionsnotizen *.txt, *.rtf inkl. Screenshots vom Arbeitsprozess *.png
  5. Verlustfrei komprimierte Audiodateien *.flac oder *.ofr (steht für OptimFROG, ein offenbar weitgehend unbekanntes Dateiformat von Florin Ghido, das besser als *.flac (!) komprimiert. Ich entdeckte es Anfang diesen Jahres zufällig im Netz und nutze es seitdem regelmäßig ohne Probleme. Sachen gibt’s.).

Und hier sollten sie gespeichert werden:

  1. Rechner + Cloud Standard MIDI Files, Samplebibliothek-Konfigurationsdateien, verlustfrei komprimierte Audiodateien
  2. Externe lokale Festplatte Kompositionsnotizen/Screenshots, Sequencer-Projektdateien
Geht’s auch weniger aufwendig?

Sicher. Nur die beiden folgenden Dateiarten sind wirklich unabdingbar:

  1. Standard MIDI Files
  2. Samplebibliothek-Konfigurationsdateien

Auch wenn alles andere verlorengeht, lässt sich allein mithilfe dieser geringen Datenmenge die Komposition neu rendern. Das funktioniert allerdings nur, wenn…

  1. …alle Steuerbefehle für die Samplebibliothek im Standard MIDI File (und nicht etwa nur im Sequencer) enthalten sind. Aus diesem Grund speichere ich auch Artikulationswechsel von virtuellen Instrumenten immer als Control Changes ab.
  2. …alle Daten auf einer MIDI-Spur dem korrekten Kanal zugeordnet sind.
    Hintergrund: Bei den MIDI-Sequencern, mit denen ich gearbeitet habe, lässt sich die Kanalzuordnung einer Spur bequemerweise mit einem Mausklick im Spurkopf einstellen. Das Standard MIDI File wird dann zwar vom Sequencer korrekt gerendert, schaut man sich aber die Datei an, stellt man fest, dass das nichts mit der tatsächlichen Kanalzuordnung zu tun hat. Der Sequencer leitet offenbar lediglich alle Daten einer Spur auf den gewünschten Kanal um und lässt dabei das Standard MIDI File physisch unverändert.
  3. …alle sequencerseitigen Automatisierungen (Loops, nonlineare Abfolge einzelner Abschnitte) im SMF abgebildet sind.

Und natürlich muss die verwendete Samplebibliothek zur Verfügung stehen. Da ich freie Bibliotheken bevorzuge, die einfach so im Netz stehen, entfällt hier die Archivierungspflicht. Sollten gekaufte Bibliotheken verlorengehen, sollte man diese anhand des Kaufbelegs erneut vom Server des Herausgebers herunterladen dürfen – hier fehlt mir allerdings eine entsprechende Erfahrung. Ist das schon mal jemandem passiert? Falls ja, bitte einen Kommentar posten, wie es euch ergangen ist.

MIDI-Miniaturen der Klaviermusik Alexander Skrjabins, Kollektion 2

Playlist:

  1. Prélude op. 74 #2 | Jof Lee, SH edit
  2. Mazurka op. 25 #3 | Serge Winitzki 1996
  3. Mazurka op. 25 #9 | Serge Winitzki 1997
  4. Prélude op. 74 #5 | Jof Lee, SH edit
  5. Poème op. 32 #1 | Serge Winitzki 1996
  6. Prélude op. 74 #1 | Jof Lee, SH edit
  7. Mazurka op. 40 #2 | Serge Winitzki 1997
  8. Prélude op. 74 #3 | Jof Lee, SH edit
  9. Etude op. 42 #1 | Serge Winitzki 1998
  10. Etude op. 42 #4 | Robert Finley
  11. Prélude op 74 #4 | Jof Lee, SH edit

Zur Kollektion 1 geht’s hier.

Soundfont City Piano (Joe „bigcat“ Stevens)
MIDI Player FSMP (Zoltan Bacsko)
Faltungshall Anchorage Tunnel (EchoThief)
Effekte Mono-Rendering inkl. künstlicher Schallplattenknackser und weißem Rauschen (Edirol SD-90)

Skrjabin, optimiert

Die Dramaturgie der kürzlich hier präsentierten und für mich exemplarischen Kollektion von MIDI-Renderings ebenso exemplarischer Klavierminiaturen Alexander Skrjabins hat mich nicht ganz zufriedengestellt, deshalb heute eine optimierte Fassung: Ein Stück (op. 11 #4) ist dazugekommen, die Reihenfolge wurde geändert und – vor allem – habe ich teilweise nun doch etwas längere Pausen zwischen den „Sätzen“ eingefügt, damit die Musik mehr Luft zum Atmen hat. Hier kommt die aktualisierte Playlist:

  1. Etude op. 2 #1 | Robert Finley 1995
  2. Masque op. 63 #1 | Serge Winitzki 1997
  3. Etude op. 8 #4 | Robert Finley
  4. Poème op. 69 #2 | B. Restemeyer
  5. Prélude op. 11 #4 | Peter Kriek
  6. Prélude op. 11 #11 | B. Restemeyer
  7. Etrangeté op. 63 #2 | Serge Winitzki 1997
  8. Prélude op. 11 # 8 | Chris Todd 1998
  9. Fragilité op. 51 #1 | Serge Winitzki 1996
  10. Etude op. 8 #12 | Robert Finley 1995

Soundfont City Piano (Joe „bigcat“ Stevens)
MIDI Player FSMP (Zoltan Bacsko)
Faltungshall Anchorage Tunnel (EchoThief)
Effekte Mono-Rendering inkl. künstlicher Schallplattenknackser und weißem Rauschen (Edirol SD-90)

10 Skrjabin-Klavierminiaturen als Seelen- und Herz-Erwärmer

Die folgenden MIDI-Renderings stellen ein besonderes Kleinod für mich dar: Es handelt sich um Interpretationen kurzer bis kürzester Klavierkompositionen des verehrten Meisters Александр Николаевич Скрябин (1872-1915), die ich – teilweise schon vor langer Zeit – im Netz fand (v. a. hier).

Alexander Skrjabin (1872-1915) in gelöster Stimmung. Man beachte: Die (für ihn besonders wichtige) linke Hand schützt ein Handschuh, die rechte nicht. [Ich konnte mir nicht verkneifen, dieses alte Foto mit einem „Altes Foto“-Filter  wie ein „altes Foto“ aussehen zu lassen.]
Erst jetzt habe ich einen wirklich adäquaten Soundfont gefunden, um diese Dateien in Klang umzusetzen. Es handelt sich um die frei erhältliche Sample-Bibliothek eines kleinen Baldwin-Flügels, die Joe „bigcat“ Stevens unter der Bezeichung „City Piano“ vor 4 Jahren ins Netz stellte.

Ich habe mir beim Arrangement der Miniaturen große Mühe gegeben, um einen dramaturgisch interessanten Gesamtverlauf zu erzeugen. So gibt es keine Pausen zwischen den einzelnen Stücken, so dass der Skrjabin-unerfahrene Hörer die Musik als eine fortlaufende Komposition wahrnehmen kann (und soll). Die Skrjabin-Expertin wird feststellen, dass ich Kompositionen aus dem schwärmerischen Frühwerk mit solchen aus dem konstruktivistischen Spätwerk wild durcheinander mischte.

Die Stücke und ihre Interpreten im Einzelnen:

  1. Etude op. 2 #1 | Robert Finley 1995
  2. Masque op. 63 #1 | Serge Winitzki 1997
  3. Etude op. 8 #4 | Robert Finley
  4. Poème op. 69 #2 | B. Restemeyer
  5. Prélude op. 11 #4 | Peter Kriek
  6. Prélude op. 11 #11 | B. Restemeyer
  7. Etrangeté op. 63 #2 | Serge Winitzki 1997
  8. Prélude op. 11 # 8 | Chris Todd 1998
  9. Fragilité op. 51 #1 | Serge Winitzki 1996
  10. Etude op. 8 #12 | Robert Finley 1995

Die Liste wurde aktualisiert. Hier geht’s zur aktuellen Fassung. Den Audiolink gibt’s aber auch hier:

Ihren vollen Charme entfaltet diese Musik erst, wenn man vorher den Alltagskopf amputiert und beiseite gelegt hat. Zum Nebenbeizwischendurchhören ist sie nicht geeignet*, vermutlich, weil das in ihr ausgedrückte Lebensgefühl allzu weit von dem des Jahres 2018 entfernt ist. Aber exakt deswegen liebe ich sie ja.

Wie gefällt euch diese Musik?


* Ich höre sie auch so gut wie nie im Klassische Musik-Radio.

Jenseits der Digital Audio Workstation

[Aktualisiert 2018-03-05]

Schon seit vielen Jahren pflege ich auf meiner Homepage eine kommentierte Liste in englischer Sprache mit Software, die ich gerade beim Komponieren verwende. Dabei handelt es sich nicht um eine der üblichen Zusammenstellungen von „Lieblings-Apps“ zu einem bestimmten Themengebiet, von denen das Netz überquillt (und die zweifellos nützlich sind, wenn man sich gar nicht auskennt), sondern um die Quintessenz persönlicher Auseinandersetzung mit einer ganz beträchtlichen Menge von Musik-Software. Für jede gelistete Software könnt ihr ruhig 6 bis 7 weitere Anwendungen annehmen, die es nicht in die Liste geschafft haben.

hp
Bitte auf das Bild klicken, um auf meine Homepage zu gelangen.

Eine integrierte Digital Audio Workstation (DAW), also die Art von Anwendung, die die digitale Musikproduktion aller Genres weiterhin dominiert, werdet ihr dort allerdings nicht finden. Aber warum?

Ein Blick zurück: Angefangen mit der rechnerbasierten Musikproduktion habe ich vor über 15 Jahren sehr wohl mit einer Freeware-DAW namens Massiva (kennt heute keiner mehr), einem wunderbar übersichtlichen, leicht zu handhabenden Programm, von dessen MIDI-Funktionalität ich massiv (pardon) profitierte. Autor Jørgen Aase war mit diesem Stand der Dinge aber offenbar nicht zufrieden und bettete Massiva in ein umfassenderes Programmkonzept namens energyXT ein. Und dann war ich draußen, denn mit der „Technizität“ dieser Weiterentwicklung kam ich partout nicht zurecht.

Einen ähnlich guten MIDI-Sequenzer wie Massiva kannte ich damals nicht und so sah ich mich gezwungen, zu einer der „großen“ DAWs zu wechseln. Irgendwo las ich, dass Cubase den besten MIDI-Support hat, also legte ich mir hoffnungsvoll die damals aktuelle Light-Version Cubase SE zu. Das war schon ein schwererer Brocken, mit gefühlt unendlich vielen Optionen vor allem im Audio-Bereich, die mich zwar neugierig machten, die ich aber letztendlich doch nicht nutzte. Außerdem gab mir Cubase im Gegensatz zu Massiva das ständige Gefühl, etwas falsch zu machen.

Und so erwischte ich mich irgendwann dabei, mehr Zeit mit Grübeleien über das „richtige“ Handling dieser Software zu verbringen als mit der kreativen Arbeit. Etwas überspitzt gesagt: Das DAW-Prinzip der technischen Integration hatte bei mir zur kreativen Desintegration geführt. Damals schrieb ich das meiner „Dummheit“ zu. Mittlerweile weiß ich, dass die meisten Menschen, die keine besonders ausgeprägte Affinität zu ingenieursmäßigem Denken haben, ihre liebe Not mit hochintegrierten DAWs hatten und haben.

Aus dieser Not heraus begann ich erneut, nach kleinerer und leichterer Software zur Lösung der anstehenden Aufgaben zu suchen. Nach einigem Umherirren im WWW fand ich schließlich in den Weiten der Filehosting-Dienste SourceForge und GitHub, wo mehr oder weniger professionelle ProgrammiererInnen aus aller Welt ihre Arbeit öffentlich teilen, was mein Herz begehrte.

Heute nutze ich Cubase kaum noch*. Ich habe festgestellt, dass es – zumindest meinem – kreativen Workflow zuträglicher ist, der Reihe nach mit überschaubaren Komponenten zu arbeiten und deren Output nachträglich sozusagen zusammenzukleben. So gelang es mir – Stück für Stück und ganz allmählich – mich von der einschüchternden Dominanz der DAW und vor allem dem lähmenden Gefühl der Dummheit zu befreien, was dann auch meiner Produktivität gut tat.


* Wenn es um die Koordination von MIDI-basierten Klängen mit Audioaufnahmen geht, führt allerdings weiterhin kein Weg daran vorbei.