Selbstbeobachtung „Pianissimo“

Eher zufällig geriet ich beim Stöbern nach interessanter Musik auf YouTube vor einigen Tagen an die Aufnahme der Klaviersonate op. 6 von Mendelssohn. Ich kannte die Sonate nicht. Die Aufnahme faszinierte mich unmittelbar (unanalysierte Wahrnehmungsempfindung), vor allem der langsame Satz in Moll, also setzte ich ein Lesezeichen und nahm mir vor, diese Aufnahme in meine Musikbibliothek aufzunehmen. Gestern bot sich Gelegenheit dazu und ich hörte die Aufnahme beim Aufnehmen in Echtzeit aufmerksam komplett durch. Zunächst ergötzte ich mich am gepflegten Sound der Standard-Klassikflügel-Aufnahme-Ästhetik. Anschließend fiel mein Ohrenmerk auf die Interpretation. Vor allem das Pianissimo erschien mir dabei mehr und mehr als manieriert, d. h. unmotiviert extrem. Bei den ersten zwei Sonatensätzen war das noch zu tolerieren, denn die Musik gefiel mir gut. Ab der zweiten Hälfte des dritten Satzes allerdings verflachte die Komposition und dasselbe forcierte Pianissimo, das mich eben noch nicht störte, erregte nun mein Missfallen, ja einen leichten Zorn. Warum? Nun, ich hatte den Eindruck, der/die InterpretIn verwendet hier einen psychoakustischen Trick, um mangelnden musikalischen Gehalt auszugleichen, denn auf sehr leise Geräusche muss man sich stärker konzentrieren, um sie korrekt wahrnehmen zu können. Sie erscheinen einem merkwürdigerweise dann auch gleich wichtiger, d. h. sinnhafter, bedeutsamer, wertvoller als die Klänge in Mezzoforte, Forte etc. Das hat aber nichts mit der tatsächlichen musikalischen Qualität der Pianissimo-Passage zu tun. Ich fühlte mich auf den Arm genommen und manipuliert vom Interpreten.

Trost für Ludwig van

Ich bin ja kein besonderer Beethoven-Fan, und ein sog. „Jubiläumsjahr“ kann daran auch nichts ändern, aber als fies verzwergte, scheiße auf Jeff Koons getrimmte Blödrumstehfigur im einem süddeutschen shopping village herhalten zu müssen, hat er dann doch nicht verdient. Das hat niemand verdient. Und so tätschelte ich dem Meister zärtlich den Schrumpfscheitel. Foto: V.R.